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Nichts was uns schützt

Roman
ISBN/EAN: 9783608936063
Umbreit-Nr.: 1738045

Sprache: Deutsch
Umfang: 208 S.
Format in cm: 2.2 x 21 x 13.3
Einband: gebundenes Buch

Erschienen am 03.03.2009
€ 20,00
(inklusive MwSt.)
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  • Zusatztext
    • Marie lebt mit ihrem Mann, einem Schulbusfahrer, und ihren beiden Kindern in einer nordfranzösischen Vorstadt. Früher war sie Kassiererin im Supermarkt, jetzt ist sie Hausfrau und lebt selbstverloren vor sich hin, zunehmend zermürbt durch ihr eintöniges Leben. Eines Tages wird sie durch Zufall auf ein Flüchtlingslager aufmerksam, sie schließt sich den freiwilligen Helfern an und teilt an Asylbewerber Essen aus. Mehr und mehr vernachlässigt sie ihre Familie, sie wird zu einer Aktivistin der Gestrandeten und gerät mit der brutalen Polizei in Konflikt. Denen, die gar nichts haben, gibt Marie alles. Und droht schließlich, ihre Kinder, ihren Mann und sich selbst zu verlieren. Olivier Adam hat mit 'Nichts was uns schützt' ein kraftvolles und einfühlendes Buch geschrieben.

  • Kurztext
    • Eine einfache Frau zerbricht an ihrem aufopferungsvollen Engagement für illegale Immigranten. Eines Tages wird Marie durch Zufall auf ein Flüchtlingslager aufmerksam, sie schließt sich den freiwilligen Helfern an, vernachlässigt mehr und mehr ihre Familie und gerät mit der Polizei in Konflikt. Schließlich droht sie, ihre Kinder, ihren Mann und sich selbst zu verlieren - ein modernes Martyrium.

  • Autorenportrait
    • Olivier Adam, geboren 1974 und in der Pariser Banlieue aufgewachsen, hat zahlreiche Romane, Jugendbücher und Erzählbände veröffentlicht. Viele seiner Romane wurden verfilmt. »Keine Sorge, mir geht's gut« erlangte in Frankreich und Deutschland Kultstatus. Adam lebt mit Frau und Kindern in Paris. Bei Klett-Cotta erschienen bislang von ihm die Romane »Nichts was uns schützt«, »Gegenwinde« und »An den Rändern der Welt«.
  • Schlagzeile
    • 'ein leises, aber wütendes Buch.' (Der Spiegel, 2.6.2009)
  • Leseprobe
    • Kapitel I Wie fing es an? Ich vermute, so: Ich bin allein in der Küche und drücke die Nase ans Fenster, dahinter ist nichts. Nichts. Wie immer, eigentlich. Es leben so viele Menschen hier. Wir sind Millionen. Diese Orte ähneln sich so sehr, dass sie am Ende alle gleich aussehen. Sie sind über das ganze Land verteilt und wachsen zusammen, bilden ein Geflecht, ein Netz, eine Schicht, eine unbeachtete Parallelwelt. Millionen vollkommen gleicher Häuser mit blass, beige, rosa verputzten Mauern, Millionen Fensterläden mit abblätternder Farbe, schlecht eingepassten Garagentoren, hinter den Häusern versteckten Gärtchen, Schaukeln Barbecue-Grills Geranien Stiefmütterchen, Millionen laufender Fernsehgeräte in Conforama-Wohnzimmern. Millionen gesichtslose Männer und Frauen, unscheinbare, gleichförmige Existenzen. Der banale Alltag moderner Siedlungen. Gleichgültig, zurückgezogen, abgeschirmt, ohne Zusammenhang. Nichts: geparkte Autos, eine endlose Reihe von Fassaden und Kinder, die im kranken Licht spielen. Ein Irrgarten aus Straßen, die nach nicht vorhandenen Bäumen benannt sind. Die Straßenlaternen und ihre weißen Lichtkegel in der Nacht, der Asphalt und die Blumenbeete. Die Stadt, nutzlos und fern, die Stille am helllichten Tag. Nun gut, so fängt es an: Ich lehne mit dem Bauch an der Arbeitsplatte, schaue ins Leere, ich halte eine viel zu heiße Tasse Tee in den Händen, er hat zu lange gezogen, ist fast schwarz und ungenießbar. Ich kann Tee sowieso nicht ausstehen. Vor dem Haus gegenüber unterhalten sich zwei Frauen. Sie tragen die Haare kurz oder zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden, ihre Beine stecken in diesen hautengen Leggins, die es auf dem Sonntagsmarkt gibt. Sie warten darauf, dass ihre Männer von der Arbeit heimkommen und ihre Kinder von der Schule. Ich beobachte sie und sage mir: Das ist ihr Leben, den ganzen Tag auf ihre Kinder oder ihren Mann warten, und so lange beschäftigen sie sich mit irgendwas, um die Zeit totzuschlagen. Und seit ich meinen Job verloren habe, mache ich es eigentlich genauso. Es gibt Schlimmeres. Der Job im Supermarkt war ja auch nicht viel besser. Ich trinke einen Schluck und gieße den Rest ins Spülbecken, es läuft schnell ab und durch den Sog spritzen ein paar Tropfen auf die Innenwände des Beckens. Dieser Anblick macht mir immer Angst. Das ist totaler Unsinn, ich weiß. Aber wir sind doch umgeben von Zeug, das uns ohne Erklärung und Sinn zu verfolgen scheint, uns nachschleicht. Die Stille zum Beispiel. Wie immer füllte sie die Räume aus, nahm mir die Luft. Ich konnte spüren, wie sie mir das Blut in den Adern stocken ließ und meine Lungenflügel mit einem gigantischen Vakuum vollpumpte. Ein Krater ohne Lava. Eine Wüste, ein verdammtes gefrorenes Meer. Ich ging aus der Küche rüber ins Wohnzimmer. Oder machte ich eine Runde durch die Schlafzimmer? Ich weiß es nicht mehr, es ist ganz egal, sagen wir einfach, ich war im Wohnzimmer. Ich blieb nicht lange dort. Es ist auch kein Raum, über den es viel zu sagen gibt: dunkle Vitrinen, zwei Fernsehsessel, ein Sofa mit einem afrikanisch gemusterten Bezug und vor der Balkontür ein Wäscheständer, der vollhing mit T-Shirts, Unterhosen, Hosen und Socken. Auf dem Boden lagen Spielsachen und auf dem Couchtisch Malhefte, Filzstifte und Päckchen mit Stickern für die Sammelalben. Ich räume immer erst am Abend auf, kurz bevor Stephane nach Hause kommt. Er nennt das Unordnung. Ich finde, es bringt hier mehr Leben rein. Stephane ist Schulbusfahrer. Als wir uns kennenlernten, war er achtzehn. Er spielte Fußball. Er kam aus dem Trainingslager und war gerade in den Mannschaftskader aufgenommen worden. Ich ging jede Woche ins Stadion. Ich saß frierend auf der Zuschauertribüne und hoffte, dass er endlich spielen würde, dass man ihn wenigstens ein Mal einwechselt. In seinem rot-goldenen Trainingsanzug starrte er aufs Spielfeld und kaute an den Fingernägeln. Manchmal trafen sich unsere Blicke, dann warf ich ihm einen Kus
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