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Rirette Maîtrejean

Attentatskritikerin, Anarchafeministin, Individualanarchistin
ISBN/EAN: 9783939045267
Umbreit-Nr.: 7111552

Sprache: Deutsch
Umfang: 262 S., 25 Illustr.
Format in cm: 2.4 x 20.2 x 13.3
Einband: kartoniertes Buch

Erschienen am 09.04.2016
Auflage: 1/2016
€ 16,90
(inklusive MwSt.)
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  • Zusatztext
    • Rirette Maîtrejean (1887-1968), Anarchafeministin und Individualanarchistin im französischen Milieu libre vor dem Ersten Weltkrieg, wandte sich in ihren "Souvenirs d'anarchie" (1913) entschieden gegen anarchistische Attentate und Raubüberfälle, von denen besonders die "Affäre Bonnot" bis heute erinnert wird. Die daraus entstandenen konfliktgeladenen Diskussionen führten zur Schwächung der anarchistischen Massenbewegung beim Kriegseintritt Frankreichs 1914. Die staatliche Repressionswelle traf nicht nur das vielfach von Anarchafeministinnen geprägte lebensreformerische und individualanarchistische Milieu, sondern zwang auch alle anderen anarchistischen Strömungen (u.a. Syndikalismus, kommunistischer Anarchismus) dazu, Stellung zu beziehen. Rirette Maîtrejean argumentierte in den Zwanziger- und Dreißigerjahren gegen ihren ehemaligen Lebenspartner und Gesinnungsgenossen Victor Serge, als dieser als Konsequenz aus dem gescheiterten "Illegalismus" den Staatsterror der jungen Sowjetunion befürwortete. Während und nach dem Zweiten Weltkrieg begegnete sie Albert Camus, der ihre Erfahrungen in seiner Kritik des Nihilismus ausformulierte. Diese Biographie mit einer Auswahl übersetzter Artikel bietet die Möglichkeit, sich mit Leben und Werk der bisher im deutschsprachigen Raum unbekannten Rirette Maîtrejean auseinanderzusetzen.

  • Kurztext
    • Rirette Maîtrejean (1887-1968), französische Anarchafeministin und Individualanarchistin wandte sich vor dem Ersten Weltkrieg entschieden gegen anarchistische Attentate und Raubüberfälle, von denen besonders die "Affäre Bonnot" bis heute erinnert wird. Die daraus entstandenen konfliktgeladenen Diskussionen führten zur Schwächung der anarchistischen Massenbewegung beim Kriegseintritt Frankreichs 1914. In den Zwanziger- und Dreißigerjahren kritisierte sie ihren ehemaligen Lebenspartner Victor Serge, als dieser den Staatsterror der jungen Sowjetunion befürwortete. Während und nach dem Zweiten Weltkrieg begegnete sie Albert Camus, der ihre Erfahrungen in seiner Kritik des Nihilismus ausformulierte. Die Biographie mit einer Auswahl ihrer Artikel bietet die Möglichkeit, sich mit Leben und Werk der bisher im deutschsprachigen Raum unbekannten Rirette Maîtrejean auseinanderzusetzen.

  • Leseprobe
    • I. Kapitel: Die Abrechnung [Auszug] Rirette Maîtrejeans Flucht vor Zwangsheirat; die "Causeries populaires", die Zeitung "l'anarchie", ihre anarchafeministischen Positionen zur freien Liebe; ihre Rolle als individualanarchistische Attentatskritikerin. Die Bonnot-Affäre und der Prozess von 1913. Rirette Maîtrejeans Abrechnung "Souvenirs d'anarchie". Anna Henriette Estorges wurde am 14. August 1887 geboren und starb am 11. Juni 1968. Im Colombarium, oder wie despektierlich gesagt wird: Taubenschlag, dem Gebäude zur Aufbewahrung von Urnen nach der Einäscherung, des Pariser Friedhofs Père Lachaise, auf dem so viele RevolutionärInnen begraben sind und auf dem an einer Mauerstelle an die ermordeten KommunardInnen der Pariser Commune von 1871 erinnert wird, gibt es ein Kästchen mit der Nr. 2439. Darauf ist eingraviert: "Anna Estorges, genannt Rirette Maîtrejean, geboren am 14. August 1887 und gestorben am 11. Juni 1968". Die französische studentische Revolte im Mai 1968 hatte sie weder bewusst miterleben noch verarbeiten können, obwohl sie wohl bei ihr auf Sympathie gestoßen wäre. Anna Estorges kam noch während ihrer frühen Kindheit zu dem Spitznamen "Rirette", den sie ein Leben lang beibehalten sollte und der eine Art Mischung aus Kosenamen und Abkürzung ihres zweiten Vornamens Henriette darstellt. Sie wurde auf dem Bauernhof ihrer Familie, dem Anwesen des Vaters Martin Estorges und der sechs Jahre jüngeren Mutter Jeanne Brunie, in dem Marktflecken Saint-Mexant im Departement Corrèze im südwestlichen Frankreich geboren. Offenbar reichte die Landwirtschaft nicht mehr zum Leben, die Familie war verarmt und zog kurze Zeit nach Rirettes Geburt in die nahe gelegene Stadt Tulle. Dort fand der Vater eine Arbeit als Maurer und konnte nach einigen Jahren ein Bauunternehmen eröffnen. Die Familie war damit aus dem Elend gerettet und für Rirette, die frühzeitig einen unabhängigen und regen Geist an den Tag legte, konnte sogar an ein Studium gedacht werden. Als Rirette nach Absolvierung der Grundschule den Wunsch äußerte, Lehrerin zu werden, stimmte der Vater zu und schrieb sie in eine höhere Mädchenschule ein, die sie für diesen Berufsweg absolvieren musste. Doch kurz danach, im Mai 1903, erkrankte ihr Vater an einer chronischen Magen-Darm-Grippe, kam ins Krankenhaus von Tulle und starb Ende Oktober desselben Jahres. Dies ließ die Familie wieder in die Armut stürzen, denn die Großväter sowohl väter- wie mütterlicherseits waren bereits gestorben und hatten ihnen nichts hinterlassen. Die Mutter, Jeanne, konnte kaum mehr das Überleben sichern. Rirette hätte am Ende ihrer Ausbildung ab einem Alter von 18 Jahren eine Klasse als Lehrerin übertragen werden können, doch sie war erst 16. Sie war bereits zu gebildet und zu stolz, um irgendwo als Haushaltshilfe zu arbeiten, zu selbstbestimmt, um eine Lehre zu machen und damit ihre Ausbildung abbrechen zu wollen. Die Mutter warf ihr das vor und sah keinen anderen Ausweg als zu versuchen, Rirette früh zu verheiraten. Aus Sicht der Mutter war sie eine Schönheit und mit ihrer Bildung hätte sie im kleinbürgerlichen Milieu eine gute "Partie" abgegeben. Das Umfeld der Mutter bestärkte Jeanne in ihrer zunehmenden Borniertheit, Rirette die Heirat aufzuzwingen. Die spätere Ablehnung der Zwangsinstitution Ehe und ihr Bekenntnis zur freien Liebe hatten in dieser elementaren Zwangssituation Rirette Maîtrejeans ihren Erfahrungshintergrund. Rirette setzte den Plänen ihrer Mutter einen hartnäckigen Widerstand entgegen. Sie sah, so bemerkt ihre französische Biographin Anne Steiner, "in dieser Konzeption der Heirat nur eine Variante der Prostitution" (1) und verweigerte entschieden jedem von ihrer Mutter organisierten und vorgeführten potenziellen Ehemann die Zustimmung. Dadurch verschlechterte sich die Beziehung der Mutter zu ihrer Tochter gravierend und Rirette dachte mehr und mehr an eine Flucht aus dem Elternhaus. Dazu kam es bald und sie kam allein und mittellos im Winter 1904 im Pariser Bahnhof Austerlitz an. Di
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