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Szenen aus der frühen Corona-Periode

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ISBN/EAN: 9783940524966
Umbreit-Nr.: 9515974

Sprache: Deutsch
Umfang: 90 S.
Format in cm: 0.8 x 22.1 x 10.5
Einband: kartoniertes Buch

Erschienen am 29.06.2020
€ 9,50
(inklusive MwSt.)
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  • Zusatztext
    • Die zweite, erweitere Ausgabe der Corona-Szenen von Arno Widmann. Das Corona-Virus verändert seit dem ersten Ausbruch in bisher unbekannter Schnelligkeit und Vehemenz den Alltag in Deutschland, in Europa, in fast allen Ländern des Globus. Nur wie? Was macht das Virus mit Menschen, Gesellschaften, Staaten? Der Journalist Widmann schildert in seinem Essay Szenen aus der frühen Corona-Periode. Reflexion als eine Art Domino: Die Verhältnisse sind im Fluss, niemand kann klare Erkenntnisse für sich in Anspruch nehmen, und die Überlegungen Widmanns bringen sich in eine Form, die dem gerecht wird - sie formieren sich, je nach Begebenheit, je nach Szene, wieder und wieder neu. Der Autor zieht sich zurück, schon aus Gehorsam, hört zu, beobachtet, eher von fern als aus der Nähe, er erzählt Szenen aus dem Leben in ungeheuerlicher Zeit und lässt so den Gedanken ihren Lauf.

  • Autorenportrait
    • Arno Widmann - Jahrgang 1946, Journalist, arbeitete für zahlreiche deutsche Zeitungen und Medien wie taz, FAZ, Die Zeit, Vogue, Frankfurter Rundschau, Berliner Zeitung und perlentaucher. Widmann lebt in Berlin.
  • Leseprobe
    • 42 Achim war erregt: "'Eine mikrobische Vereinigung der Welt' - damit haben wir es wieder einmal zu tun. Die Pest dezimierte die Bevölkerungen Asiens und Europas. Die Überlebenden aber waren tief von ihr geprägt. Von Japan bis Portugal findet man in den Überresten der Opfer Spuren der DNA des Bakterium Yersinia pestis. Es hat sich in den letzten eineinhalb Jahrtausenden nicht sehr verändert. In unserer DNA sind Spuren des Kampfes mit ihm nachweisbar. Ewig halten die Antikörper aber nicht. Jedenfalls erlagen die Bewohner der beiden Amerikas und Ozeaniens, die mehr als 20 000 Jahre kaum noch Kontakte mit der alten Welt gehabt hatten, den europäischen Krankheiten schlagartig. Die Bevölkerung Mexikos soll zum Beispiel zu neunzig Prozent ausgerottet worden sein. Wer überlebte, hatte sein Mikrobiom innen und außen europäisiert. Lange bevor er sich kulturell assimiliert hatte." Achim nimmt die Quarantäne als Exerzitium. Er nutzt sie, um zu erfahren, ob er ohne Kontakte auskommen kann. Er liest viel, verwandelt das Gelesene in Vorträge, die er sich selbst hält. Er tut dabei so, als sei er selbst auf all die wunderbaren Gedanken gekommen. Das beflügelt, ja berauscht ihn. Er liebt zum Beispiel den Begriff der "mikrobischen Vereinigung der Welt". Er liebt die Vorstellung, dass das Menschengeschlecht sich in langen Wellen immer wieder neu konstituiert, nachdem es über Jahrhunderte aus einander driftete. "Die Menschheit ist eine, weil sie von ihren Parasiten zu einer gemacht wird", ruft er seinem Publikum zu. Nein, nein. Er braucht kein Publikum mehr. Er hat es weit gebracht in dieser seiner ersten Corona-Woche. Er muss sich nicht einmal mehr ein Publikum vorstellen. Er brüllt und flüstert, spricht langsam oder schnell, beiseit oder exakt artikuliert nur für sich. Er ist Schöpfer und Geschöpf. Er ist Gott vor der Erschaffung der Welt. Nein, er ist ein Gott, der froh ist, endlich wieder allein zu sein. Ein Gott, der sich von Fischstäbchen aus der Tiefkühltruhe ernährt.
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