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Auf der Kippe

Wenn Ärzte, Justiz und Gesellschaft versagen - mein extremes Leben mit der Borderline-Krankheit
ISBN/EAN: 9783453154001
Umbreit-Nr.: 1980402

Sprache: Deutsch
Umfang: 272 S.
Format in cm: 2.6 x 21.9 x 14.4
Einband: gebundenes Buch

Erschienen am 29.09.2008
€ 19,95
(inklusive MwSt.)
Nicht lieferbar
  • Zusatztext
    • Auf der Grenzlinie zwischen Leben und Tod Ein psychisch Erkrankter, der wie ein Schwerverbrecher behandelt wird - ein Justizsystem, das sich keine Mühe gibt, die Fakten richtig zu beurteilen - und eine Gesellschaft, die lieber nicht so genau hinsieht: Dies ist die bewegende Biografie einer Borderline-Persönlichkeit, deren wahre Krankheit über Jahre nicht erkannt wird. Und es ist gleichzeitig ein kritisches Spiegelbild der deutschen Justiz und ihrer Behörden, die nicht zuletzt Mitschuld tragen am Lebensweg von Peter Detert. Als Peter Detert sechs Jahre alt ist, lassen sich seine Eltern scheiden, und die Mutter verlässt das Haus, ohne sich jemals wieder zu melden. In den folgenden Jahren wechselt Detert achtmal die Schule, erlebt diverse Stiefmütter, Heime und Pflegefamilien. Er hat jedoch Glück: Das Heim, in das er mit sechzehn Jahren kommt, bietet ihm großen Halt. Er wird ein guter Schüler und besucht die Fachoberschule. Doch an der Schwelle zum Erwachsenensein bricht seine Krankheit aus, und sein Leben verändert sich auf dramatische Weise: Ohne einen für seine Umwelt erkennbaren Grund wirft er sich vor einen Lkw. Und es wird nicht sein letzter Suizidversuch bleiben. Das Borderline-Syndrom, eine Persönlichkeitsstörung, die - wörtlich übersetzt - die Grenzlinie zwischen einer Vielzahl von auffälligen neurotischen und psychotischen Verhaltensweisen und Gefühlen bedeutet, ist zu diesem Zeitpunkt noch weitgehend unerforscht und bleibt unerkannt. Falschtherapien bis hin zu Zwangseinweisungen in geschlossene Kliniken und die Forensik folgen. Schließlich driftet Peter Detert in die Kriminalität ab. Für einige Zeit wird er Deutschlands meistgesuchter Verbrecher. Erst als er einem verständnisvollen Richter begegnet, kann er sich schließlich nach Jahren doch noch aus diesem Teufelskreis befreien.

  • Kurztext
    • Spannend wie ein Thriller. Welt am Sonntag

  • Leseprobe
    • Prolog: Ankunft in der forensischen Psychiatrie Kahle Äste, die der Wind peitscht. Dunkelgraue Wolkenfetzen jagen über den blassen Himmel. Regen, mit ein paar Schneeflocken vermischt. Durch den Sehschlitz über meinem Sitz kann ich an diesem nasskalten Wintertag nur Ausschnitte von Landschaften und Orten erkennen. Sowieso nur graue Öde. Ich gleite in diese Lethargie, die dich überkommt, wenn du in einem Bus von A nach B transportiert wirst und dich selbst nicht aktiv an der Fahrt beteiligen kannst. Ich bin dreiundzwanzig Jahre alt und sitze an diesem 3. Februar 1990 in einem Gefangenenbus, der mich aus der U-Haft in der Justizvollzugsanstalt Brackwede in das Zentrum für Forensische Psychiatrie in F. bringt. Darunter kann ich mir zu diesem Zeitpunkt nichts vorstellen. Und ich habe mir noch keinen Kopf gemacht, was forensische Psychiatrie eigentlich bedeutet. Nachdem mehrere Häftlinge an verschiedenen Strafanstalten abgeliefert worden sind, bleibe ich allein mit zwei Justizvollzugsbeamten im Bus zurück. Ich sitze in einer Kabine von der Art, wie sie in Kaufhäusern zum Anprobieren aufgestellt sind. Nur ist diese viel primitiver. Wenn ich zur Toilette muss, drücke ich einen Knopf. Dann blinkt an der Außenwand der Kabine ein Lämpchen, und meine Bewacher führen mich zur Toilette im Bus, schließen mich danach wieder ein. Die Männer tragen grüne Uniformen mit dem Landeswappen am linken Oberarm. Ich sehe keine Waffen, aber ich bin sicher, dass sie mich gut unter Kontrolle haben. Ich darf meine Zivilkleidung tragen, ich habe eine kleine Reisetasche bei mir mit dem Nötigsten, das man für eine kurze Reise braucht. Neben Waschzeug und ein paar frischen Klamotten stecken auch zwei Bücher in meiner Tasche, eins von Ephraim Kishon und eins von Stephen King. Seltsame Mischung. Aber ich liebe den satirischen Humor von Kishon und Kings tiefen Blick in die Seelenabgründe seiner Mitmenschen. In der UHaft habe ich meine Haare aus praktischen Gründen, weil ich nur zweimal in der Woche duschen durfte, raspelkurz scheren lassen. Ich trage eine runde Brille mit dünnem Metallrand. Jeans, Turnschuhe, verwaschenes TShirt. Ich bin 1,98 Meter groß und wiege um die fünfundachtzig Kilo. Man hätte mich für einen Studenten halten können. Für den rebellierenden Sohn aus gutem Hause, der nicht genug Aufmerksamkeit bekommen hat. Aber ich bin ein Straftäter, der einen Dachschaden hat und hochgefährlich ist. Dies hat mir der Richter zumindest bescheinigt. Deshalb soll ich in die forensische Psychiatrie gebracht werden. Mein Anwalt hatte mich beruhigt, dies sei letztlich ein Krankenhaus, wie ich es bereits kenne, in dem ich jede mögliche therapeutische Hilfe bekomme. Da müsse ich auch nicht lange bleiben, denn schließlich habe der Gutachter, ein Arzt aus der Psychiatrie in G., dem Gericht empfohlen, mich für ein Jahr auf einen therapeutischen Bauernhof zu schicken, der von Anthroposophen geleitet wird. Er hatte zum ersten Mal meiner rätselhaften Persönlichkeitsstörung einen Namen gegeben: Borderline. Schließlich, nachdem wir längere Zeit über eine Landstraße gefahren sind und ich durch den Sehschlitz Felder, Wiesen, Wälder und einen Fluss wahrnehmen kann, hält der Bus vor einem Gebäude, das wie ein größeres Wohnhaus wirkt. Sieht eigentlich ganz nett aus. Da lässt es sich sicher ein paar Tage aushalten. Einer der beiden Beamten steigt aus, mit einer Kladde in der Hand, in der ich meine Akten, mein »Sündenregister« vermute. Er verschwindet in dem Haus, kommt nach einiger Zeit zurück. Der Bus fährt weiter. Dies war nur das Verwaltungsgebäude. Nun holpern wir ein paar Minuten über einen Feldweg. Der Bus hält erneut - und ich erstarre. Rund um das sehr viel größere Gebäude, das in einem hässlichen Eidottergelb gestrichen ist, zieht sich eine ungefähr fünf Meter hohe Mauer, die von Nato-Drahtrollen gekrönt ist. An diesem Draht sind anstelle der Stacheln Rasierklingen angebracht, die bei einem Versuch, über die Mauer zu klettern, nicht nur ein paar Kratzer hinter
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