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Kingpeng

Roman
ISBN/EAN: 9783552060081
Umbreit-Nr.: 1422122

Sprache: Deutsch
Umfang: 160 S.
Format in cm: 1.7 x 21 x 13.5
Einband: gebundenes Buch

Erschienen am 31.01.2005
€ 16,90
(inklusive MwSt.)
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  • Zusatztext
    • Die Geschwister Kinga und Nick leben zusammen. Gemeinsam betreiben sie einen Partyservice. Von ihrem kleinen Balkon blicken die beiden auf eine große Terrasse mit Kübelpflanzen, einer Hollywoodschaukel und reichen gut aussehenden Menschen, die sie fasziniert beobachten. Und plötzlich gehören sie dazu, wenn auch zunächst nur in der Rolle jener, die den Lieferanteneingang benützen. Ein rätselhafter Mord geschieht. Kinga geht ein Verhältnis mit einem Mann ein, dessen Frau mit Nick schläft. Die "Terrakottainsel" verliert ihren Glanz. Präzise und doch schwebend-leicht erzählt Linda Stift in ihrem Debutroman von subtilen Macht- und Beziehungsspielen.

  • Autorenportrait
    • Linda Stift bei Facebook
  • Leseprobe
    • Wir nennen die Terrasse gegenüber Terrakottainsel. Bei Anbruch der Dunkelheit schalten sie die Scheinwerfer ein. Die gestreifte Hollywoodschaukel und die Rattankorbsessel sind in der Dämmerung jetzt meist besetzt. Gegen Mitternacht tauschen sie die Scheinwerfer durch Kerzenlicht aus. Dann kann man drüben außer den unruhigen Lichtflecken nichts mehr erkennen. Eigentlich ist diese Wohnung in der Innenstadt zu teuer für meinen Bruder Nick und mich. Unser Partyservice wirft nicht viel ab. Jeden Monat wird mehr vom Konto abgebucht als draufgebucht. Trotzdem ziehen wir in keinen Außenbezirk. In den Sommernächten sitzen wir auf unserem winzigen Balkon, unbemerkt zwischen Küchenkräutern und Tomatenstauden. Ringsherum breitet sich eine verbeulte Dächerlandschaft aus. Wo immer es möglich ist, halten sich Menschen im Freien auf. Wir schauen durch die schmiedeeisernen Stäbe auf die andere Seite. Unser Balkon liegt ein halbes Stockwerk höher als die Terrasse, sodass wir Einblick auf die gesamte Fläche haben. Zwischen den Häuserfronten verläuft eine schmale Straße, kaum befahren. Wir denken uns Dialoge aus, die wir als Besitzer der Terrasse führen würden. Unsere Gläser stehen am Boden. Nick verwendet den Suppenteller auf seinen Oberschenkeln als Aschenbecher. Die Spaghettireste vom Abendessen vermischen sich mit Zigarettenstummeln und Asche. Ich benutze einen richtigen Aschenbecher. Wir beneiden die Leute von gegenüber um ihre Terrasse mit den wuchernden Kübelpflanzen. Man hört Cooljazz und manchmal erklingt ein Männerlachen, das Schwingungen in die warme Abendluft wirft, so wie ein ins Wasser geschleuderter Kieselstein Kreise auf der Wasseroberfläche erzeugt. Vermutlich essen sie kaltes Geflügel oder Meeresfrüchte auf geeisten Endivien und trinken Chablis aus langstieligen Gläsern. Nick und ich trinken kühlen Rotwein und zerbeißen Tütenhummerchips mit einem Hummeranteil von 0,5 Prozent. Die Chipsbrösel kleben auf Zunge und Gaumen und erinnern an das Kribbeln, das entsteht, wenn man Explosiv-Brause im Mund zerplatzen lässt. Als Kinder haben wir uns diese Brause aus einem langen Plastikröhrchen auf die Zunge geschüttet, voneinander abgeschleckt und gegenseitig die Oberflächen unserer Zungen studiert. Die Untersuchungen waren genauso wichtig wie die Explosionen und das Abschlecken der Brausekristalle. Ich wollte immer an Nicks Zunge riechen und er an meiner. Der Geruch des sich an der Luft zersetzenden Speichels beim Herausstrecken der Zunge mischte sich mit dem metallischen Geschmack der Brause. Selbstvergessen standen wir da und schleckten und rochen an unseren Zungen. Meine sah danach immer aus, als wäre jemand mit einem gewellten Messer darauf abgerutscht. Nicks Zunge ist immer glatt geblieben. Wir stoßen mit unseren Haushaltsgläsern an, die den Senfgläsern unserer Kindheit ähneln. Manchmal rieche ich noch den Senf heraus. Auf der Terrakottainsel lehnt nun eine Frau an der Balustrade und sieht zu uns herüber. Sie steht im Lichtkegel eines Scheinwerfers und trägt ein helles bodenlanges Kleid. Mit einer Hand stützt sie sich ab, in der anderen hält sie ein Glas. Sie erinnert an eine Barbiepuppe. In ihren Haaren glitzert etwas. Man weiß nicht genau, sieht sie uns wirklich an, oder ist ihr Blick auf etwas anderes gerichtet, etwas, das wir nicht sehen können. Plötzlich hebt sie den Arm und macht eine Bewegung, als würde sie uns mit dem Glas zuprosten. Nick steht auf und beugt sich über das Geländer. Dabei rutscht der Spaghettiteller von seinen Oberschenkeln und zerbricht in zwei glatte Teile. Die von der Spaghettisauce verschmierten Zigarettenstummel und die grauen Nudelreste bilden am Boden ein Nest wie von einem schlampigen Vogel, dem die Lust am Bauen vergangen ist. Ohne sich darum zu kümmern, winkt Nick zurück und hält dann eine Hand trichterförmig an sein linkes Ohr, mit der anderen hebt er ebenfalls sein Glas. Die Musik verstummt. Einige Leute versammeln sich an der Balustrade. Sie schreien und winken. Die Frau ruft etwas. Es sc
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