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Das Baby

ISBN/EAN: 9783446204539
Umbreit-Nr.: 1045832

Sprache: Deutsch
Umfang: 148 S.
Format in cm: 1.8 x 21 x 13
Einband: gebundenes Buch

Erschienen am 09.08.2004
€ 14,90
(inklusive MwSt.)
Nicht lieferbar
  • Zusatztext
    • Das Baby: Ein rot anlaufendes, schreiendes Bündel, ein saugender kleiner Wurm, ist so etwas überhaupt literaturfähig? Ja, meint Marie Darrieussecq und hat daher ihre Beobachtungen und Gefühle während der ersten Lebensmonate ihres Sohnes aufgeschrieben. Ein einzigartiges, ebenso ergreifendes wie komisches Buch - fern der bekannten Klischees.

  • Kurztext
    • Das Baby: Ein rot anlaufendes, schreiendes Bündel, ein saugender kleiner Wurm, ist so etwas überhaupt literaturfähig? Ja, meint Marie Darrieussecq und hat daher ihre Beobachtungen und Gefühle während der ersten Lebensmonate ihres Sohnes aufgeschrieben. Ein einzigartiges, ebenso ergreifendes wie komisches Buch - fern der bekannten Klischees.

  • Autorenportrait
    • Marie Darrieussecq, 1969 in Bayonne geboren, studierte Literaturwissenschaft an der École Normale Supérieure in Paris. Ihr erster bei Hanser erschienener Roman "Schweinerei" (1997) machte sie in Deutschland mit einem Schlag berühmt. Bei Hanser erschienen außerdem "Gespenster sehen" (Roman, 1999), "Das Baby" (2004), "Prinzessinnen" (Roman, 2013) und "Man muss die Männer sehr lieben" (Roman, 2015). Marie Darrieussecq lebt als Schriftstellerin und Psychoanalytikerin in Paris.
  • Leseprobe
    • Seine erste Fahrt im Kinderwagen fand Anfang Juni statt, in dem Badeort, wo ich geboren bin. Das Meer war blaßrosa, der Himmel in Babyfarben, die Sonne ging gemächlich unter. Das Baby schlief die ganze Zeit. Bei dem einzigen Straßencafe, das geöffnet war, legte ich eine Pause ein, unter den Arkaden des Kasinos. Ich hatte genug Zeit, mir einen windgeschützten Tisch auszusuchen. Das Baby wachte auf. Daß ein so winziges Wesen einen solchen Lärm machen kann, ist bemerkenswert. Zum erstenmal seit der Entbindung trug ich ein tailliertes Kleid, ich hatte mich geschminkt und die Haare mit der Sonnenbrille zurückgeschoben. Die Dame vom Nebentisch beugte sich über den Kinderwagen und sagte: 'Armes Kleines.' Eine mißbilligende Kellnerin brachte mir mein Bier. Ich drückte meine Zigarette aus. Eine Gruppe Rentner blieb stehen, die Frauen berieten sich untereinander und meinten, vielleicht sei ihm kalt. Eine deutsche Familie, Eltern und vier Töchter, verließ das Cafe und musterte mich sorgenvoll. Wir flüchteten, das Baby und ich. Mir war, als würde ich es entführen. Von diesem Tag an sage ich, wenn ich von ihm und mir spreche oder an es und mich denke, 'wir' - gegen den Rest der Welt. An einem anderen Tag in der Apotheke. Ich hatte es gerade gefüttert, alles war in Ordnung, und da fängt es an zu weinen. Die Kunden im Kreis, in der Mitte die Apothekerin: 'Es hat Hunger!' Dabei wollte ich gerade eine Flasche Babymilch kaufen. Aber als erstes wird man verdächtigt, es verhungern zu lassen, als wäre das die plausibelste Erklärung. Es ist dick. Es ist blaß. Es ist zu klein für sein Alter. Es schielt. Dieser Fleck da, geht der noch weg? Es hat ein Doppelkinn. Es hat keine Nase. Es sieht Ihnen ähnlich. Das Baby macht viele Passantinnen hysterisch. Sie berühren es, bewerten es, stellen Fragen nach seinem Alter, seinem Gewicht, seinem Geschlecht, der Geburt, als wäre das nicht eine unglaubliche Indiskretion, sondern vielmehr Teil des normalen Sozialverhaltens, eine elementare Form der Höflichkeit, so wie das Türen-Aufhalten, das Grüßen oder Danke-Sagen. [ ... ] Das war eine Liebe, von der ich tatsächlich keine Ahnung hatte. Ich hatte davon gehört, ich hatte sie manchmal in meiner Umgebung gesehen, ich stellte sie mir vor und konnte mich hineinversetzen - ich hätte darüber schreiben können -, aber ich wußte nicht, daß sie auch mir widerfahren würde. Sie war mir ein bißchen eklig, aus übernommener Frauenfeindlichkeit, aus kritischem Reflex, aus Panik; denn was über sie gesagt wird, ist meistens widerwärtig; denn ein Erwachsener, der 'Mama' sagt, bringt mich zum Lachen und schlägt mich in die Flucht. Als das Baby auf die Welt kam, mischten sich Verblüffung und Liebe. Ich liebte es, und ich bewunderte es dafür, daß es da war: daß es dermaßen frech und unverfroren herausgekommen war. Ich konnte nicht glauben, daß die anderen Babys das genauso machen. Es kam sehr früh auf die Welt, und sofort brüllte es, klebrig, blutig, zerknittert: skandalös. Das ganze Krankenhaus wurde durch diese Provokation aufgescheucht, legte sich ins Zeug, um es zu waschen, zu beruhigen, in seinen Brutkasten zu legen. Als erstes hat es einen Aufstand veranstaltet, alles durcheinandergebracht. Diese Präsenz, dieses unglaublich bühnenwirksame Auftauchen... Aber wie soll man das fürs Theater schreiben, ohne die Hoffnung, da je heranzureichen? Im Kreißsaal waren wir zu viert: der Vater des Babys, der Geburtshelfer, die Kinderkrankenschwester und ich. Und dann sind wir plötzlich zu fünft. Im Auge des Sturms sein, wo Zeit und Raum sich vereinen und öffnen: Mein Geschlecht ist diese Bresche, und ich wußte es nicht. Meine Wege führen mich manchmal zurück unter die Milchglasfenster dieser Kreißsäle. Ich sehe weder Gebärende noch Personal in Rosa und Grün wie in meiner Erinnerung, sondern - dort gefangen - große weiße Spiralen, aus deren Mittelpunkt die Babys hervorkommen. Das kommt mir wahrscheinli ...
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