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Die Hauptsachen

ISBN/EAN: 9783446206533
Umbreit-Nr.: 1792022

Sprache: Deutsch
Umfang: 456 S., mit 16-seitigem Bildteil
Format in cm: 3 x 21.8 x 15
Einband: gebundenes Buch

Erschienen am 19.08.2005
€ 24,90
(inklusive MwSt.)
Nicht lieferbar
  • Zusatztext
    • Ausgehend von seinem Schreckensjahr 1994/95, in dem sein Vater stirbt, sein Freund Saul Bellow schwer krank ist und sich die englische Presse vor allem seinen Zahnproblemen widmet, spinnt Amis Fäden in seine Vergangenheit. Er schildert die Liebschaften seines Vaters, erzählt von einer Jugend inmitten der intellektuellen Elite Englands, von seinen Anfängen als Schriftsteller und von seinen eigenen gescheiterten Beziehungen zum weiblichen Geschlecht - was so tragisch beginnt, ist doch unerhört kurzweilig, zuweilen bissig und immer scharfsinnig.

  • Autorenportrait
    • Martin Amis, 1949 in Swansea?/?Wales geboren, wurde schon mit seinem ersten Roman berühmt. Weitere erfolgreiche Romane und Erzählungsbände folgten. Zuletzt erschienen bei Hanser Yellow Dog (Roman, 2004), Die Hauptsachen (2005), Koba der Schreckliche (2007), Haus der Begegnungen (Roman, 2008) und Die schwangere Witwe (Roman, 2012). Martin Amis lebt in London und Uruguay.
  • Leseprobe
    • Eine der kürzesten dieser Affären - eine der zeitlich am stärksten kondensierten - war der Anlaß, daß ich wieder einmal meine Mutter besuchte; das war 1977, nicht lange nach ihrer widerwilligen Rückkehr nach England. Ich sagte, ich wolle ihr eine Geschichte erzählen. Und ein Foto zeigen. 'Ja, Liebes.' Vor knapp drei Jahren, sagte ich, hätte ich eine Affäre mit einer jungen Frau gehabt, Lamorna mit Namen. Sie sei damals und sei noch immer mit einem sehr viel älteren Mann verheiratet, Patrick, mit dem ich eine Zeitlang flüchtig bekannt gewesen sei ('Er hatte was mit Gully, Mum', sagte ich. Gully hatte ich meinen ersten Roman gewidmet, und jetzt, da ihr die Sache etwas bekannter vorkam, konnte meine Mutter lächeln). Patrick und Lamorna, fuhr ich fort, seien nicht gut miteinander ausgekommen, und sexuell habe sich zu der Zeit in ihrer Ehe nichts getan. 'Ja, Liebes.' Ich sagte, Lamorna und ich seien immer noch Freunde, und kürzlich hätte ich mich mit ihr zum Lunch getroffen... Ich erzählte meiner Mutter nicht, daß Lamorna mich mit ihrer Einstellung und ihrem Äußeren beeindruckt hatte - mit ihrer Schönheit, mit ihrem klaren Verstand. Lamorna war manisch-depressiv - ein Zustand, der von einem Psychologen einmal, gewagt, aber denkwürdig, als der Arnold Schwarzenegger unter den psychischen Störungen beschrieben wurde. Früher hatte ich sie oft in einem Zustand medikamentös gedämpfter Unruhe erlebt, gedanklich konfus und offenbar bedrängt von kleinen Ängsten, kleinen Feinden. An diesem Tag beim Lunch war ich es, der unruhig war (wegen einer aktuellen Herzensangelegenheit); und Lamorna schlug vor, ich solle mir etwas Unkompaktes bestellen, ein Stew oder ein Frikassee vielleicht, statt mich an ein monolithisches Steak oder Schnitzel zu wagen. Mit innerer Unruhe kannte sie sich aus. Mit innerer Unruhe kannte sie sich sehr gut aus... Bei dem Restaurant handelte es sich um das alte Bertorelli¿s in Queensway, gegenüber der Buchhandlung (beide gibt es seit langem nicht mehr, wie der Erzähler von Money wenig bekümmert feststellt), und zwischen all dem dunklen Holz und den hellen Tischdecken machte Lamorna einen wunderbar frischen Eindruck. Ich bemerkte, wie üblich, mit obsessiver Aufmerksamkeit ihre gesunden und hübschen Zahnreihen; als sie in ihren Tarama-Toast biß, erschienen kleine rosa Stückchen in den schmalen Spalten zwischen ihren Zähnen. Noch nie war sie mir stärker und glücklicher erschienen. Ich glaubte, sie sei endlich im Gleichgewicht. Aber das war ein Irrtum: ein gewaltiger Irrtum. 'Sie hat von ihrer Tochter erzählt. Und dann hat sie mir das Foto gezeigt, Mum. Sie hat es mir geschenkt.' 'Ja, Liebes.' Ich nahm es aus der Tasche. Es zeigte ein zweijähriges Mädchen in einem dunklen, um die Brust gesmokten Blümchenkleid mit kurzen Puffärmeln und rosa Besatz. Die Kleine hatte feines blondes Haar. Ihr Lächeln wirkte in sich gekehrt: vergnügt, aber stillvergnügt. Meine Mutter riß es mir aus der Hand. 'Lamorna sagt, ich sei der Vater. Was meinst du, Mum?' Sie sah sich das Bild aus verschiedenen Entfernungen an. Sie hielt es auf Armeslänge von sich weg und rückte mit der freien Hand ihre Brille zurecht. Dann besah sie es ganz aus der Nähe. Ohne aufzublicken, sagte sie: 'Ohne jeden Zweifel.' Lamorna war noch einige Monate entfernt. Ich saß an meinem Schreibtisch im palacio (das Gebäude hatte etwas Unbewegliches, wie es dem Verfall vorauszugehen pflegt), und mir lag das Fehlen einer anderen Blutsverwandten auf der Seele. Auf der Seele? In der Seele. Irgendwo weit hinten drin. ... Es gab viele Gründe, warum meine Mutter so gern in Spanien lebte, und nicht der geringste von ihnen war der, daß man in den meisten Apotheken rezeptfrei Speed kaufen konnte. Nach einiger Zeit wurde der von ihr bevorzugte Stoff rezeptpflichtig; also mußte sie zehn Schichten Kleider anziehen, ins Krankenhaus gehen und die Übergewichtige simulieren (im Winter kein Problem, aber nicht so einfach während d ...
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