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Jazztime

Roman
ISBN/EAN: 9783446207141
Umbreit-Nr.: 1501450

Sprache: Deutsch
Umfang: 478 S.
Format in cm: 3 x 21.9 x 14.9
Einband: gebundenes Buch

Erschienen am 04.02.2006
€ 24,90
(inklusive MwSt.)
Nicht lieferbar
  • Zusatztext
    • Henry Smart, einstiger irischer Revolverheld, flieht 1924 in die Neue Welt. New York ist das Zentrum des Universums, und Henry ist einer, der sich rasch anpasst und lukrativen Geschäften nachgeht. Dabei kommt er Gangstern in die Quere, die noch skrupelloser sind als er, und er entdeckt in Chicago die Welt der Flüsterkneipen und Tanzhallen - und des Jazz, soeben neu erfunden vom Trompeter Louis Armstrong. Ein Roman wie Musik: wild, rhythmisch, berauschend.

  • Autorenportrait
    • Roddy Doyle, 1958 in Dublin geboren, arbeitete als Lehrer, bevor er als Autor berühmt wurde. Auf Deutsch erschienen unter anderem die Barrytown-Trilogie - The Commitments wurde von Alan Parker, The Snapper und The Van von Stephen Frears verfilmt - und die Romane Paddy Clarke Ha Ha Ha (1994), für den er den Booker-Preis erhielt, Henry der Held (2000) sowie zwei Kinderbücher. Bei Hanser erschienen Rory und Ita (2005), Jazztime (Roman, 2006), Paula Spencer (2008), Typisch irisch (Erzählungen, 2011) und Die Rückkehr des Henry Smart (Roman, 2013).  
  • Leseprobe
    • In New York konnte ich mich eingraben. Das sah ich schon vom Schiff aus, als wir unter einem kalten Morgenhimmel, der hinter mir rasch heller wurde und den Dunst von der schieferfarbenen Wasserfläche vertrieb, an der Freiheitsstatue vorbeifuhren. Was sich da über mir auftürmte, war Manhattan. Winzig klein machte es die Leute um mich herum. Alle starrten auf diese von Menschenhand gemachten Klippen und die noch höher ragenden Klippen dahinter, die weit in dieses Land Amerika hineinreichten und den Menschen den Zugang verwehrten. Ich sah die Furcht in ihren Augen. Augen, in die ich sehen konnte, ohne daß ich Angst haben mußte, erkannt zu werden. Es waren keine irischen Gesichter, und an den Mantelsäumen war keine irische Erde, sie waren quer durch Europa geschleift worden. Hier reisten ganze Familien, drei und vier Generationen; die Iren reisten allein. Uralte Frauen mit eingefallenen, bösen Gesichtern, die Hände um Taschen gekrampft, die sie über einen ganzen Erdteil mitgeschleppt hatten, Taschen voll von Bindfäden und Eierschalen und Steinen aus den Mauern verlorener Häuser. Dahinter ihre Männer, unter Bärten versteckte Gesichter, die Augen noch jung und kampfbereit. Sie bewachten die Kisten und Kästen zu ihren Füßen. Und ihre Söhne und Töchter, Enkel und Enkelinnen, unter gestickten Umschlagtüchern und schwarzen Mützen, und ganz kleine Kinder und schwangere Mädchen, neben denen magere Jungen standen und saßen - alle eingeschüchtert durch die näher rükkenden Klippen der Stadt. Selbst die Jüngsten spürten, daß ihre Aufgeregtheit unerwünscht war, und blieben stumm, als die Reliance kleine Wellen nach Bedloes Island und zu der dicken steinernen Amerikanerin hinüberschickte - schickt mir die Armen und Geschlagenen, die Heimatlosen schickt, vom Sturm getragen -, während ihre Eltern und Großeltern der Neuen Welt entgegenfröstelten und sich fragten, ob das, was sie sahen, ihre Vorder- oder Rückfront war. Ich war der einzige alleinreisende Mann, der einzige, der keine Angst vor dem hatte, was da vor uns hochwuchs. Hier konnte man abtauchen, konnte, wenn man wollte, sterben und zu einem tollen, temporeichen Leben wiedergeboren werden. Ich war angekommen. Vor Manhattan aber drehten wir ab, fuhren fast wieder hinaus in die Nacht und nahmen Kurs auf New Jersey. Um mich herum wurde es noch stiller, als die Insel langsam vor uns auftauchte - die letzten paar Quadratmeter der alten grausamen Welt, die in allen an Bord gesprochenen Sprachen genauso hieß und die nun immer näher kam: Isola delle lacrime, Träneninsel. Ellis Island. Hunderte von schlurfenden Fußen, eingesperrt unter der gewölbten Halle, in der Luft das Geraune der Millionen, die sie schon passiert hatten, die Schluchzer der Tausende, die man aufgehalten und zurückgeschickt hatte. Ich horchte auf das Tocktock eines berühmten Beines, aber ich hörte nichts. Alte Männer versuchten, allzulang gekrümmte Rücken zu straffen, Mütter rubbelten rücksichtslos Farbe in die blassen Wangen ihrer Kinder. Wilde Männer fuhren sich mit den Fingern durch lange Bärte und bereuten, daß sie sich nicht rasiert hatten, ehe sie von Bord gegangen waren. Jüdinnen streichelten die Schläfenlocken ihrer Söhne und versuchten, sie unter Mützen zu verstecken. Bruchstücke der neuen Sprache wurden ausprobiert, von Mund zu Mund gereicht. &34;Ja, Sir.&34; &34;Nein, Sir.&34; &34;Mein Vetter, er haben ein Haus.&34; &34;Ich bin ein Farmer.&34; &34;Qu-eens.&34; Der Amtsarzt sah mir in die Augen. Ich wußte, wonach er suchte. Ein hinkender, kurzatmiger Anarchist, der seinen siebten Einwanderungsversuch unternahm, hatte mich gründlich aufgeklärt. &34;Sie sehen dein Hinkebein, aber nicht dein Hirn&34;, hatte er gesagt. &34;Idioten! Sobald sie kapiert haben, daß ich zu gefährlich für ihr Land bin, will ich ihm gern den Rücken kehren. Bis dahin pendele ich weiter zwischen Southampton und ihrem Ellis Island.&34; &34;Wenn du dir die erste oder zweite Klasse leisten könntest&34;,< ...
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