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Stadt und Religion in der frühen Neuzeit

Soziale Ordnungen und ihre Repräsentationen, Eigene und Fremde Welten 4
ISBN/EAN: 9783593384368
Umbreit-Nr.: 1889758

Sprache: Deutsch
Umfang: 339 S.
Format in cm: 2.3 x 21.2 x 14
Einband: Paperback

Erschienen am 21.05.2007
Auflage: 1/2007
€ 44,00
(inklusive MwSt.)
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  • Zusatztext
    • Im frühneuzeitlichen Europa war die Stadt zugleich christliche Gemeinschaft, Bürger- und Kirchengemeinde waren eins. An Beispielen wie Berlin und Dublin, Prag und Venedig, Magdeburg und La Rochelle gehen die Autoren des Bandes der Bedeutung von Kirche und Konfession für das städtische Selbstverständnis nach. Dabei verbinden sie die klassische Stadtgeschichtsschreibung mit kulturgeschichtlichen Ansätzen. Der Band ist eine Festschrift für Heinz Schilling.

  • Autorenportrait
    • Vera Isaiasz ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Sonderforschungsbereich 640 »Repräsentationen sozialer Ordnungen im Wandel« an der HU Berlin. Ute Lotz-Heumann und Matthias Pohlig, beide Dr. phil., sind wissenschaftliche Assistenten und Habilitanden an der HU Berlin und assoziierte Mitglieder des SFB. Monika Mommertz, Dr. phil., ist Habilitandin an der HU Berlin.
  • Schlagzeile
    • Eigene und fremde Welten
  • Leseprobe
    • Soziale Ordnung und ihre Repräsentationen: Perspektiven der Forschungsrichtung Stadt und Religion Vera Isaiasz und Matthias Pohlig Während die moderne Stadt gleichsam pars pro toto für die moderne säkularisierte Gesellschaft steht, besteht ein Spezifikum der vormodernen europäischen Stadt in der Einheit von Kirchen- und Bürgergemeinde. Stadt und Religion bildet daher für die Frühe Neuzeit ein etabliertes, breit diskutiertes und ungewöhnlich fruchtbares Forschungsfeld. Gerade das Selbstverständnis der Stadt als christlicher Gemeinde wird unter diesem Begriffspaar subsumiert: Auf zahlreichen Stadtsiegeln wird die Stadt durch eine starke Mauer versinnbildlicht, in deren Mittelpunkt ein mächtiges Kirchengebäude steht. Auf diesen Siegeln ist kein Rat- oder Kaufhaus als ikonisches Zeichen im Zentrum der Stadt dargestellt, sondern eine an ihren Türmen und ihrem Kirchenschiff erkennbare Kirche. Trotz aller Konflikte, die das Verhältnis von Klerus und Bürgerschaft prägten, spiegelt sich hier das städtische Selbstverständnis als civitas christiana wider. Die Forschung zu Stadt und Religion wird zunehmend von einer sozialgeschichtlich zu einer kulturgeschichtlich akzentuierten Gesellschaftsgeschichte erweitert. Dazu hat maßgeblich die angloamerikanische und auch französische kulturgeschichtliche Forschung beigetragen, die durch ihre Untersuchungen zu Frömmigkeitsformen, kollektiven Selbstbildern, Ritualen und dem Geschlechterverhältnis zugleich das Forschungsfeld Stadt und Religion bereichert hat. Diese Entwicklung schlägt sich auch im vorliegenden Band insofern nieder, als hier an die Fragestellungen des Forschungsprojektes Religiöse und säkulare Repräsentationen im frühneuzeitlichen Europa angeknüpft wird, das Heinz Schilling als Projektleiter im Sonderforschungsbereich 640 Repräsentationen sozialer Ordnung im Wandel verantwortet. Dieses Projekt untersucht die langfristige und komplexe Ablösung eines religiös strukturierten Repräsentationssystems durch ein säkulares Repräsentationssystem. Diese werden dabei in enger Verflechtung angenommen und nicht etwa nur als chronologische Abfolge konzeptionalisiert. Repräsentationen sozialer Ordnung - diese thematische Ausrichtung indiziert im SFB 640 und in den Beiträgen dieses Bandes eine akteurszentrierte Perspektive; eine Perspektive, die aufzeigt, dass kollektive Repräsentationen soziales und politisches Handeln generieren, dass soziale Ordnungen jedoch auch Repräsentationen beeinflussen und verändern. Der Begriff der Repräsentation, von Roger Chartier im Anschluss an Durkheim in die Geschichtswissenschaft eingeführt, bezeichnet dabei im weitesten Sinne Äußerungen und Handlungen individueller und kollektiver Akteure, die "die Gesellschaft beschreiben, so wie sie meinen, daß sie wäre oder sein sollte". Gegen eine Lesart Durkheims, die die gesellschaftliche Integrationskraft kollektiver Repräsentationen in den Mittelpunkt rückt, betont Chartier den Praxis-, Handlungs- und Konfliktbezug von Repräsentationen. Er versteht darunter Deutungen und Abbildungen der Gesellschaft, die im Verhältnis zu den Interessen und Strategien bestimmter Gruppen stehen. Sie äußern sich in Diskursen und Schemata der Klassifizierung von Welt und Gesellschaft; was Menschen über ihre Welt denken, sagen oder schreiben, ist Teil dieser Welt. Die Repräsentationen sozialer Ordnung richten diese Ordnung aus, legitimieren und erklären sie, werden aber auch wiederum von ihr verändert. Für den Historiker ist deshalb eine "Kulturgeschichte des Sozialen", die auch eine Sozialgeschichte kultureller Äußerungen wäre, nicht einfach eine ornamentale Fortführung härterer Forschungsthemen, sondern ein Weg, um die Dichotomie zwischen Gesellschaft und Kultur, zwischen individueller Praxis und überindividuellen Strukturen zu überwinden. Die Erforschung von Repräsentationen sozialer Ordnung erscheint als vielversprechende Möglichkeit, Sozial- und Kulturgeschichte in fruchtbarer Weise aufeinander zu beziehen. Für ein solches Vorhaben bietet sich die Stadt genauso an wie die Konzentration auf die Religion als dem wichtigsten Repräsentationssystem der alteuropäischen Welt. Denn die Stadt kann einerseits als Mikrokosmos der frühneuzeitlichen Gesellschaft gelten, in der sich brennglasartig Konstellationen und Konflikte sowohl der sozialen Ordnung als auch der Repräsentationen bündelten. Andererseits ist sie ein ganz eigener Typus der Vergesellschaftung, der, ausgelöst durch seine spezifischen verfassungsmäßigen, sozialen und kulturellen Strukturen, in besonderer Weise sowohl die Impulse der Konfessionalisierung als auch die der Säkularisierung aufnahm: "Höchstgrade von Sakralisierung der Gemeinschaft und neue Formen von desakralisierender Weltsicht prallen nirgendwo so kraß aufeinander wie in den Städten". Religion stellte eine zentrale Repräsentationsachse der alteuropäischen Gesellschaft im Allgemeinen und in der Stadt im Besonderen dar. Alteuropäische Stadtgeschichte lässt sich ohne Religion nicht schreiben, denn Religion ist an alle oder doch viele Bereiche städtischen Lebens untrennbar angelagert. Genauso muss umgekehrt frühneuzeitliche Religiosität in hohem Maße sozial- und kulturgeschichtlich kontextualisiert werden und bleibt daher ebenfalls ohne den Fokus auf politische Rahmenbedingungen, soziale Trägergruppen und Milieus unverständlich. Historische Forschung zum Thema Stadt und Religion, die Impulse von Sozial- und Kulturgeschichte gleichermaßen aufnimmt, muss also die weite Perspektive eines spannungsreichen Verhältnisses von geistlicher und weltlicher Gewalt, von säkularem und sakralem Denken, von Politik und Religion untersuchen. Es interessiert nicht nur die Frage der institutionellen Verankerung der Kirche in der Stadt; deshalb wird im Folgenden auch der Begriff der Religion demjenigen der Kirche vorgezogen, ohne dass der engere Begriff der Kirche aufgegeben werden müsste. Der Begriff der Religion besitzt den Vorteil größerer Offenheit - er schließt kirchliche Strukturen und kirchliche Religiosität ein, ohne aber nichtkirchliche und nichtchristliche Religiosität auszugrenzen. Schließlich lässt sich der Begriff der Religion auf den Regelfall Konfession spezifizieren, wie dies im vorliegenden Sammelband geschieht, ohne dass nichtkonfessionelle Religiosität prinzipiell ausgeschlossen wird. Das Thema Stadt und Religion bietet daher ein breites Spektrum der Untersuchungsmöglichkeiten: Von der Analyse religiöser Phänomene in der Stadt oder den Verbindungen städtischer Phänomene zur Religion über die Untersuchung bestimmter Charakteristika der vormodernen Stadt, die sie für einen distinkten Typus religiöser Erfahrung und Praxis prädisponierten, bis hin zu der Frage nach der Symbiose politischer und religiöser Gruppenbildung, die Bernd Moeller in dem Begriff der Sakralgemeinschaft gebündelt hat. Heinz Schilling sieht in der Verbindung von Stadt und Kirche geradezu ein Signum des okzidentalen Christentums und damit des westlichen, von der lateinischen Christenheit geprägten Europa: "In all epochs of western, i.e. Latin, European history the church was also and often even primarily an urban phenomenon, giving important impulses for expansion and inner development not only to episcopal, chapter, abbey, or pilgrimage towns, but to almost every European town and city". Ein wichtiges makrosoziologisches Charakteristikum dieses Zivilisationstyps, der sich primär in der Stadt ausprägte, war nicht etwa die Identität von Kirche und Stadtgemeinde, von religiöser und politischer Gewalt, sondern das trotz der vielfältigen Überlappungen prinzipielle Bestehenbleiben beider Pole. Das okzidentale Europa besaß eine nicht-monistische Struktur, die die Fähigkeit zur Differenzierung zwischen geistlichem und weltlichem Bereich und auch die Bereitschaft und Notwendigkeit, immer wieder Kämpfe um das Verhältnis beider Pole auszutragen, einschloss. Damit war auch die Möglichkeit der Säkularisierung - im Sinne der Privatisierung religiösen Entscheidens und der deutlichen, re...
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