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Medialisierte Ereignisse

Performanz, Inszenierung und Medien seit dem 18. Jahrhundert
ISBN/EAN: 9783593391984
Umbreit-Nr.: 1154079

Sprache: Deutsch
Umfang: 282 S.
Format in cm:
Einband: Paperback

Erschienen am 13.09.2010
Auflage: 1/2010
€ 39,00
(inklusive MwSt.)
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  • Zusatztext
    • Historische Ereignisse sind unlösbar mit den Medien ihrer jeweiligen Epoche verflochten. Medien prägen die Planung, den Ablauf, die öffentliche Deutung und die Erinnerung an Ereignisse. Die Beiträge untersuchen das Wechselverhältnis zwischen der körperlichen Performanz und der Medialität für die Zeit seit der Aufklärung. Das Spektrum reicht dabei von den Wundergeburten und Ballonaufstiegen des 18. Jahrhunderts über die Revolution 1789 bis zum Tod von Papst Pius XII., den Protesten 1968 und den Olympischen Spielen in München 1972.

  • Kurztext
    • Historische Ereignisse sind unlösbar mit den Medien ihrer jeweiligen Epoche verflochten. Medien prägen die Planung, den Ablauf, die öffentliche Deutung und die Erinnerung an Ereignisse. Die Beiträge untersuchen das Wechselverhältnis zwischen der körperlichen Performanz und der Medialität für die Zeit seit der Aufklärung. Das Spektrum reicht dabei von den Wundergeburten und Ballonaufstiegen des 18. Jahrhunderts über die Revolution 1789 bis zum Tod von Papst Pius XII., den Protesten 1968 und den Olympischen Spielen in München 1972.

  • Autorenportrait
    • InhaltsangabeInhalt Ereignisse, Performanz und Medien in historischer Perspektive Frank Bösch "Körpersensationen": Performanzen von Behinderung und ihre Medialisierung im 18. Jahrhundert Patrick Schmidt Mediale Prägungen von Perfomances: Die gescheiterte Ballonfahrt im späten 18. Jahrhundert zwischen Konstruktion und Fiasko Susann Trabert KörperBilder: Performative Revolutionsgrafik in Frankreich (1789-1848) Rolf Reichardt Bußen, Beten und Randale: Mit- und gegeneinander Schiller feiern in Berlin, Hamburg und St. Louis Thorsten Gudewitz Empire on Parade: Queen Victorias Thronjubiläen Meike Hölscher und Jan Rupp Kinemaklasmus: Protestartikulation im Kino Kai Nowak Performanz der Sterblichkeit: Der Tod Pius' XII. (1958) als Medienereignis René Schlott KörperRevolten und mediale Körperinszenierungen: Die Proteste um '68 als Medienereignis Kathrin Fahlenbrach Das Publikum und die Medien: Die Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele 1972 Eva Maria Modrey Autorinnen und Autoren
  • Leseprobe
    • Die Beschäftigung mit Ereignissen war unter Historikern lange Zeit verpönt. Der Siegeszug der Sozialgeschichte hatte die Auseinandersetzung mit Strukturen gefördert und der "linguistic turn" die Analyse von Diskursen. In letzter Zeit nahm das Forschungsinteresse an Ereignissen jedoch wieder deutlich zu. Dies dürfte zunächst an der großen öffentlichen Präsenz und Wirkungsmacht aktueller globaler Ereignisse liegen - wie dem Mauerfall, den Anschläge von "9/11" oder dem Tod von Papst Johannes Paul II. Zugleich ging der ebenfalls medial strukturierte "Memory Boom" mit einer öffentlichen und historiographischen Hinwendung zu markanten Ereignissen und Jahrestagen einher, in denen sich die historische Erinnerung zeremoniell verdichtet. Wissenschaftliche Publikationen zum Mauerfall, zu den 68er Protesten oder zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs folgten dieser medialen Taktung. Zudem verstärkten kulturwissenschaftliche Ansätze die Erforschung punktueller, einmaliger Vorgänge mit öffentlicher Relevanz. Dazu zählten etwa Studien zur Inszenierung von Macht, populären Spektakeln oder einzelnen Konflikten ebenso wie der mikrohistorische Blick auf weniger berühmte öffentliche Begebenheiten, anhand derer sich die Konstruktion von Deutungen und Handlungsmustern erforschen lässt. Dies veränderte den Zugang zu Ereignissen. Weniger intentionale Handlungen von Akteuren als vielmehr die zeitgenössische Konstruktion der Ereignisse rückte in den Vordergrund, ebenso die damit einhergehenden Wahrnehmungen und Reaktionen. In den theoretischen Überlegungen zum historischen Ereignisbegriff ist dieser Zugang bereits angelegt. So fasste Reinhart Koselleck Ereignisse als Sinneinheiten, die sich durch "ein Minimum von Vorher und Nachher" auszeichnen, woran anschließend sich gerade die Analyse der Sinnbildungen anbietet. Manfred Hettling und Andreas Suter umschrieben Ereignisse als eine "komplexe Handlungssequenz", die kollektiv überraschen oder erschüttern und strukturverändernde Folgen habe, die bereits Zeitgenossen wahrnehmen. Kaum berücksichtigt wurde jedoch, dass die hier betonte kollektive Ereigniskonstruktion durch Kommunikation erfolgt und damit durch Medien- und Kommunikationsmuster geprägt ist. Entsprechend lassen sich Ereignisse als Momente beschreiben, die eine verdichtete Kommunikation auslösen, bei der zahlreiche konkurrierende Erzählungen und Bilder thematisch zentriert zusammenlaufen. Ereignisse zeichnen sich durch Einmaligkeit aus, sind aber dennoch in Strukturen eingebettet. Was wie zum Ereignis wird, ist zwar oft kontingent, selbst wenn sie geplant sind. Ihre Entstehung und Konstruktion lässt sich jedoch nur aus längerfristigen Entwicklungen, Dispositionen und Strukturen erklären, wozu auch die jeweiligen Kommunikationsstrukturen zählen. Und trotz aller Zufälligkeiten lassen sich bei der Ereigniskonstruktion grundsätzliche Intentionen ausmachen, wie Interessen oder Machtpraktiken, die bewusst oder unbewusst ausgeübt werden. Bereits der Begriff "Ereignis" verweist etymologisch auf die Sichtbarmachung eines Vorganges (von althochdeutsch "irougen": "vor Augen stellen, zeigen"). Diese Sichtbarkeit wird in der Geschichte der Neuzeit in zunehmendem Maße durch Medien hergestellt. So ermöglichen Medien eine raumübergreifende Kommunikation über Vorgänge, sie selektieren und interpretieren diese als Ereignis und prägen frühzeitig die Erinnerung an sie. Ebenso können bestimmte Medientechniken und -märkte das Aufkommen von Ereignissen fördern. Evident ist dies etwa für den Zusammenhang zwischen der neuen Drucktechnik und der Reformation oder zwischen der Untergrundpresse und der französischen Revolution sowie für die Durchführung der wissenschaftlich nicht zwingend nötigen bemannten Mondlandung 1969, der Medien wie das Fernsehen und die Fotografie im Kalten Krieg erst ihre machtvolle Evidenz gaben. Medien machen nicht nur Ereignisse beobachtbar, sondern treffen in diesen Momenten auch Aussagen über die jeweilige Medienformation selbst, da Medien im Zuge von Ereignissen häufig über ihre transnationalen Darstellungstechniken und -inhalte reflektieren. Auch wenn man von einem verkürzten medialen Apriori absehen sollte, muss man zumindest die jeweiligen medialen Kommunikationsmöglichkeiten und die Ausbildung von historischen Ereignissen als miteinander verschränkt ansehen. Auf derartige Verschränkungen verweist der Begriff "Medienereignis". Er bezeichnet eine besonders intensive, meist grenzübergreifende Verdichtung der Kommunikation auf ein Thema, das von den Zeitgenossen als ein besonderer Einschnitt gesehen wird. Ereignisse mit öffentlichen Zuschreibungen zu verbinden, bedeutet nicht, dass alle Begebenheiten konstruktivistisch in Diskurse aufgelöst werden sollen. Die toten Körper bei einem Mord oder Schiffsunglück sind für sich natürlich Teil "realer" Vorgänge. Aber ob oder wie sie zu einem Ereignis werden und sinnhaft sowie folgenreich die Zeit in ein Vorher/Nachher strukturieren, ist in hohem Maße durch mediale Kommunikation bedingt. Dies gilt gerade für grenzübergreifend kommunizierte Ereignisse, die mit der Ausbildung eines ausdifferenzierten Zeitungs- und Zeitschriftenmarktes seit dem 18. Jahrhundert verstärkt auftraten. Um es an einem Beispiel zu unterstreichen: Ein Mord etwa, den niemand bemerkt oder der zumindest nicht öffentlich thematisiert wird, ist kein Ereignis, sondern ein Verbrechen mit einer Leiche. Der Ereignischarakter lässt sich in diesen Fällen allenfalls für den begrenzten Personenkreis des Verbrechers und des Opfers ausmachen.
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