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Die Blaue

Roman
ISBN/EAN: 9783608936162
Umbreit-Nr.: 1577392

Sprache: Deutsch
Umfang: 205 S.
Format in cm: 2.2 x 21 x 13
Einband: gebundenes Buch

Erschienen am 25.02.2006
€ 18,00
(inklusive MwSt.)
Nicht lieferbar
  • Zusatztext
    • Marie und Pierrot, ein sympathisches Paar wie viele. Sie leben in Paris, sie freuen sich auf ihr erstes Kind. Und als es soweit ist, kommt Pierrot mit in die Klinik, er will alles erleben. Stunden später ist er in einen Abgrund von Zweifeln gestürzt. Denn Alice ist nicht wie andere Kinder; ihre Haut schimmert blau - eine seltene Krankheit. Marie ist befremdet, ja abgestoßen. So beginnt die bewegende Geschichte einer kleinen Außenseiterin, einer physischen Anomalie, deren bloßes Vorhandensein diese kleine bürgerliche Welt, so scheint es, tief verunsichert. Die junge Ehe gerät ins Kippen, später bekommen die Medien Wind von der Sache, die Eltern trauen sich mit dem Kind kaum noch auf die Straße. Als eine Berg- und Talfahrt der Gefühle, ein Spießrutenlaufen der Ängste erscheint das Leben Alices, die doch alle Liebe braucht. Erst irritiert, dann zusehends fasziniert verfolgt man die überraschenden Wendungen dieser monströsen und auch alltäglichen Entwicklung. Nachdem ein zweites, normales Kind geboren ist und Alice von ihrem ersten Freund, sie ist nun 16, verlassen wurde, faßt sie einen unwiderruflichen Entschluß. Sinnlich und ungemein einprägsam erzählt Michel, dessen Roman 'Emilies letzte Reise' viele begeisterte Leser (und Buchhändler!) fand, sein kleines bewegendes Drama, das einem nachgeht wie ein Film.

  • Kurztext
    • Die bewegende Geschichte einer jungen Familie in Paris, der ein Außenseiter-Kind geboren wird - doch sie spiegelt in einer fast unglaublichen Ausnahme unser aller Leben.

  • Autorenportrait
    • Nicolas Michel ist 1974 geboren. Sein erster Roman, "Un revenant" wurde mit dem renommierten Prix Goncourt du Premier Roman ausgezeichnet. Michel arbeitet als Redakteur, spezialisiert auf die Probleme der Dritten Welt.
  • Leseprobe
    • Sie liegt. Neben ihr zwei Mädchen in Weiß. Elektronische Apparate, durchsichtiger Kunststoff, Meßinstrumente für er weiß nicht was. Zwei Hände, die ihn nach hinten ziehen, in eine weiße Wüste führen, wo man ihm einen langen grünen Kittel und eine Gummihaube überzieht. Denken Sie daran, die Hebammen nicht zu stören. Wenn Sie sich nicht wohl fühlen, gehen Sie raus, bevor Sie ohnmächtig werden, schnappen Sie Luft, danach geht es meist viel besser. Die Gesichter tauchen auf und verschwinden wieder. Er ist in einem Gebäude, das von geschlechtslosen Klonen bevölkert ist. Weiß, grün, glasige Blicke. Im Wagen zeigte das Display des Autoradios drei Uhr zwölf an. Sie schlafen mit offenen Augen, man hat sie aus einem Traum gerissen, wo alles ruhig war, und hat sie in diese Regennacht getaucht. Alice wird gleich auf die Welt kommen. Es ist der 20. Juni, ein Tag vor Sommeranfang, vor den langen Abenden, an denen sie zusahen, wie die Lichter erloschen. Letztes Jahr waren sie in Island, es wurde nie Nacht, der blaue Gletscher war gerade ins Meer gerutscht, es gab Robben am Strand, Papageientaucher, die in Felsspalten nisteten, und Küstenseeschwalben in ruckendem Flug. Vatnajökull. Das gleiche Weiß in den Falten der Laken, doch draußen ist die Nacht voller Geräusche und voller Lichter, Paris hört nie auf zu pulsieren. Er ist allein, sie schlafen zu Millionen, sie wissen nicht, daß Alice sich dreht und zu ihrem großen Rutsch ansetzt. Maries Gesicht verzerrt sich. Die Wehen werden immer stärker. Mit der Periduralanästhesie muß man noch warten. Sie hat Schmerzen, ihre Lippen sind dünn wie Messerklingen, sie spricht nicht. Er hält ihre Hand trotz des Schwindels und des Äthergeruchs, der auf seine Schläfen drückt. So lange wie möglich bleiben. Warum soviel Licht? Maries Gesicht ist schweißüberströmt. Sie versucht zu lächeln, flüstert, der Schmerz sei nicht unangenehm, er solle bei ihr bleiben. Doch das Zimmer fängt an, sich zu drehen, vor seinen Augen tanzen schwarze Fliegen. Er geht kurz hinaus, ein Klon führt ihn zu einem halboffenen Fenster. Er kann nicht mehr, die Luft hat sich kaum abgekühlt. Ein Leuchten im Osten kündigt den Morgen an. Er fragt nach der Zeit: fünf Uhr zehn. Zigarette, die Schwaden wollen sich nicht verziehen. Er muß zurück. Marie, gespreizte Beine. Die Stellung ist schamlos, das Bild stimmt nicht mit seiner Frau überein. Diese Hingabe kennt er nur bei der Liebe. Eine Hebamme fordert ihn auf, zur Seite zu gehen. Marie schwitzt. Die Haare kleben ihr an der Stirn, ihr Nachthemd ist durchsichtig. Auf den Monitoren steigen blaue Linien ruckartig auf und ab. Sie sieht ihn an, versucht, ihm zuzulächeln. Zwischen ihnen liegt eine Welt. Alice. Ihr Kind wird gerade geboren. Noch nie hat er sich Marie so fern gefühlt. Er drückt ihre Hand. Pressen Sie, Marie, verlangt die Hebamme. Verzerrtes Gesicht, angespannte Muskeln, er spürt etwas wie einen Stich in den Lenden und durch den ganzen Rücken, ein Brennen, Watte in den Beinen. Gut so, gut so, alles bestens. Im Fenster die wirbelnden Wolken. Die Tropfen prasseln an die Scheibe, fließen zu winzigen Rinnsalen zusammen. Wenn Sie sehen wollen, wie der Kopf herauskommt, Monsieur. Nein, er kann nicht, kann den Schoß seiner Frau nicht so offen sehen, aus Angst, die Lust zu verlieren, aus Furcht vor einem unauslöschlichen Bild. Die Hebamme streckt die Hände aus. Weiße Handschuhe. Marie lächelt. Wie soll das Mädchen denn heißen? Alice, sagt Pierrot leise, Alice. Na dann, Alice, willkommen auf dieser Welt. [.]
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