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August 410 - Ein Kampf um Rom

ISBN/EAN: 9783608946468
Umbreit-Nr.: 1217960

Sprache: Deutsch
Umfang: 259 S.
Format in cm: 2.7 x 21 x 13.5
Einband: gebundenes Buch

Erschienen am 24.02.2010
€ 20,00
(inklusive MwSt.)
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  • Zusatztext
    • Diese einzigartige Kombination aus Darstellung, Analyse und Reflexion erhellt beispielhaft, wie Katastrophenereignisse in der Geschichte immer wieder neu verarbeitet und gedeutet werden. So auch die Eroberung Roms durch Alarich im Jahr 410, die schon die Zeitgenossen und dann die Nachwelt bis hin zur modernen Geschichtsschreibung zu großen, historisch wirkmächtigen Geschichtsbildern angeregt hat. Das reicht von den Deutungen eines entsetzten Zeitgenossen wie Hieronymus bis zu der Verherrlichung Alarichs in der deutschen Geschichtsschreibung der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Die Autoren stellen die wichtigsten Interpretationen dieses epochalen Ereignisses vor und zeigen,wie wenig wir über das eigentliche Geschehen im Jahr 410 wissen.

  • Kurztext
    • Drei Tage lang plünderten Alarichs Soldaten die Ewige Stadt. Seither hat dieses Ereignis die Phantasie der Menschen bewegt. Die Autoren erzählen, wie zunächst die Zeitgenossen, dann Geschichtsschreiber und Historiker bis in die Gegenwart dieses epochale Ereignis deuteten, das sich nun zum 1600. Mal jährt. Einzigartige Kombination aus Darstellung, Analyse und Reflexion

  • Autorenportrait
    • Mischa Meier, geboren 1971, Studium der Klassischen Philologie und der Geschichte an der Universität Bochum. 1998 Promotion über das frühe Sparta; 1999 bis 2004 Wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl für Alte Geschichte an der Universität Bielefeld. Seit 2004 Professor für Alte Geschichte in Tübingen. Wichtige Veröffentlichungen: 'Das andere Zeitalter Justinians', 2004; 'Justinian. Herrschaft, Reich und Religion', 2004. Steffen Patzold, geboren 1972, Studium der Geschichte, Kunstgeschichte und Journalistik an der Universität Hamburg. 1999 Promotion über 'Konflikt im Kloster' im ottonisch-salischen Reich. Seit 2007 Professor für Mittelalterliche Geschichte und Historische Hilfswissenschaften in Tübingen.
  • Schlagzeile
    • Wenn Rom fällt, fällt die Welt: Wie Katastrophenereignisse Geschichtsbilder prägen
  • Leseprobe
    • PROLOG EIN EREIGNIS - VIELE GESCHICHTEN A m 24. August des Jahres 410 eroberte ein Heer unter der Führung eines Generals namens Alarich die Stadt Rom. Drei Tage lang plünderten Alarichs Soldaten die alte Hauptstadt des Römischen Imperium. Am 27. August zogen sie wieder ab. An den Machtverhältnissen in Italien änderte Roms Fall zunächst nichts: Der Kaiser Honorius, der die westliche Hälfte des Reiches regierte, residierte nicht in Rom, sondern in Mailand und Ravenna. Er blieb bis zu seinem Tod im Jahr 423 im Amt. Das westliche Kaisertum sollte ihn noch mehr als ein halbes Jahrhundert lang überleben. Alarich dagegen starb bereits im Herbst des Jahres 410, nur wenige Monate, nachdem er Rom niedergeworfen hatte. Die Führung des Heeres übernahm Alarichs Schwager, Athaulf. Der führte das Heer aus Italien fort nach Südgallien. Roma war gefallen, das Imperium Romanum aber lebte weiter, nicht nur im Osten, sondern auch im Westen - vorerst jedenfalls. Und doch hat die Eroberung der Stadt im Jahr 410 die Zeitgenossen schockiert: Seit fast acht Jahrhunderten hatte niemand Rom einzunehmen vermocht; nun war die Ewige Stadt gefallen und geplündert. Die Mitlebenden suchten nach Erklärungen für das unerhörte Ereignis. Bald schon bemühten sich die ersten, das Geschehen zu deuten. Die besten Köpfe beteiligten sich an der hitzigen Debatte, unter ihnen Geistesgrößen wie Hieronymus und Augustinus. Dann bemächtigten sich die Geschichtsschreiber des Geschehens, auch sie bestrebt, der Katastrophe einen Sinn abzugewinnen. Im Laufe der Zeit wurden die Argumente, die die Zeitzeugen in ihren Diskussionen über das Ereignis vorgebracht hatten, zu historischen Quellen; aus ihnen schöpften Historiographen im Rückblick ihr Bild von dem Ereignis. In den 16 Jahrhunderten, die auf den Fall der Stadt folgten, schufen auf diese Weise immer neue Generationen ihre je eigene Geschichte von der Eroberung und Plünderung Roms. Seit dem 18. Jahrhundert deutete auch die sich entfaltende Geschichtswissenschaft eifrig mit. Jenseits von Gelehrsamkeit und Wissenschaft konnte sich die Figur Alarichs sogar aus ihrem realgeschichtlichen Kontext lösen: In Theater, Oper und schöner Literatur war Alarich im 17. und 18. Jahrhundert als Hurenbock, Trunkenbold, Vandale oder Slawenfürst beliebt. Dieses Buch ist ein weiteres Glied der jahrhundertelangen Kette von Geschichten über Alarich und den Fall Roms 410; und selbstverständlich können auch seine Autoren ihrer Zeit nicht entfliehen. Vielleicht werden Nachlebende einmal mit Staunen zur Kennt nis nehmen, wie skeptisch Historiker zu Beginn des 21. Jahrhunderts ihre Chancen beurteilten, ein Geschehen wie den Fall Roms objektiv und allgemeingültig zu rekonstruieren. Und vielleicht werden Spätere auch einmal kopfschüttelnd bestaunen, wie groß zu Beginn des 21. Jahrhunderts das Bedürfnis geworden war, Geschichte nicht mehr länger in Strukturen, Normen und Ordnungen stillzustellen, sondern ernstzunehmen in ihrer Schnell lebigkeit, als ein Produkt, gemacht von Menschen aus Fleisch und Blut, die Entscheidungen fällten, demgemäß handelten und dabei ihre sehr eigenen Ziele und Interessen verfolgten. In beidem ist dieses Buch ein Kind seiner Zeit. Es will Geschichte als Ergebnis menschlichen Handelns erzählen; und es will sich darum drücken, dem Leser eine einzige, allein seligmachende Geschichte vorzusetzen. Der Ausweg aus diesem Dilemma liegt auf der Hand: Die folgenden Seiten erzählen vom Erzählen. Sie berichten, wie sich Menschen im Laufe von 1600 Jahren die Eroberung Roms im Jahr 410 immer wieder neu sinnstiftend angeeignet haben - von Zeitgenossen wie Hieronymus und Augustinus bis hin zu Historikern des frühen 21. Jahrhunderts. In seinem Film 'Lola rennt' hat der Regisseur Tom Tykwer 1999 dreimal hintereinander die Geschichte des Liebespaares Lola und Manni erzählt. Die beiden versuchen verzweifelt, 100000 Mark aufzutreiben, nachdem Manni dieses Geld, das er als Kurier für einen Hehler abliefern soll, versehentlich in der U-Bahn liegengelassen hat. Bei jedem Durchlauf ändert sich die Handlung ein klein wenig - mit dramatischen Folgen für den Ausgang der Geschichte und ihren Sinn. Zweimal endet die Handlung als Tragödie, einer der beiden Protagonisten stirbt. Erst beim dritten Mal wird die Geschichte zur Komödie: Das Liebespaar überlebt nicht nur, es ist am Ende sogar selbst um 100000 Mark reicher. In gewisser Weise funktioniert dieses Buch über den Fall Roms 410 ähnlich wie der Film: Immer wieder wird Alarich gegen Rom anrennen, immer wieder wird Rom fallen - aber der Sinn, den die Zeitgenossen, dann die Historiographen, schließlich professionelle Historiker dem Geschehen zuschrieben, wird sich von Mal zu Mal ändern (und bisweilen sogar das Ereignis selbst). Die Auswahl der Geschichten und der Erzähler, die zu Wort kommen werden, ist subjektiv und erhebt keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit. Doch haben alle diejenigen, die wir vorstellen, ihrerseits wieder spätere Deutungen und nachfolgende Geschichten vom Fall Roms mitgeprägt. Eröffnen soll den Erzähler-Reigen ein Dichter namens Claudius Claudianus, der seine Werke um die Wende zum 5. Jahrhundert schuf. wider standen, sondern offen blieb auch für die Schwachen und Sünder dieser Welt. Hier und jetzt, in der civitas terrena, blieben Heil und Übel gemischt, wie Öl und Trester in der Olivenpresse; gleichwohl war die Kirche, die Gemeinschaft der Christen, für alle Menschen offen, sogar für reuige Donatisten. Noch war sie unterwegs, war sie eine civitas peregrinans. Noch hatte Gott Anlass, seine Kirche zu züchtigen, wie 410 in Rom. Aber ihr Ziel stand bereits klar vor Augen. Gott hatte sie verheißen, und sie würde kommen - Seine Stadt, die civitas Dei. 4. OROSIUS Von der Katastrophe zum Heilsereignis ugustin hatte sich redlich und mit kraftvoller Verve darum bemüht, seine Zeitgenossen von der relativen Bedeutungslosigkeit der Ereignisse des Jahres 410 zu überzeugen. Gegenüber christlichen Zweiflern, die angesichts der gegenwärtigen Katastrophen vom Glauben abzufallen drohten, hatte er wiederholt die Einnahme Roms herunterzuspielen versucht; den Vorwürfen der Altgläubigen - und nicht nur ihnen - trat er mit seinem Konzept von den zwei civitates entgegen. Einem zentralen Einwand jedoch vermochte er mit seiner Argumentationsstrategie nicht entscheidend beizukommen: der Behauptung, dass früher alles besser war. Sicherlich, er hatte im 3. Buch seiner Gottesstadt mit Nachdruck auf die unheilvollen Widerfahrnisse während der vorchristlichen römischen Geschichte hingewiesen, doch dies war nicht mehr als ein erster Ansatz geblieben. Das eigentliche historische Argument harrte noch einer systematischen Entwicklung und wirkungsvollen Darlegung, eine Aufgabe, die der Kirchenvater, da er in seiner Gottesstadt andere Akzente zu setzen gedachte, nicht selbst übernehmen wollte. Dafür bot sich ein anderer an: der spanische Priester Orosius, ein beflissener Kirchenmann aus Bracara (Braga in Nordportu gal) in der Provinz Gallaecia, der 414 seine von barbarischen Horden überrannte und geplünderte Heimat verlassen und in Afrika Augustinus seine Dienste angetragen hatte. Für Augustinus hatte er schon bald danach eine beschwerliche Reise nach Bethlehem zu Hieronymus unternommen und war 415 in Jerusalem als Ankläger gegen den damals ebenso bekannten wie umstrittenen Mönch Pelagius aufgetreten. Wie häufig in den innerkirchlichen Auseinandersetzungen der Spätantike geriet kurz darauf aber auch Orosius selbst unter Häresieverdacht, musste sich in einer Verteidigungsschrift rechtfertigen und kehrte 416 wieder in den Westen zurück. Damals hatte Augustinus gerade die ersten 10 Bücher seiner Gottesstadt beendet und beauftragte Orosius nunmehr damit, dieses monumentale Gedankengebäude durch eine Darlegung aus historischer Perspektive zu flankieren, die vor allem deutlich machen sollte, dass die Ereignisse des Jahres 410 keineswegs als formidables Gegenargument gegen die christliche Fortschrittsidee taugten. Der spanis...
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