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Der Gesang der Zikaden

Roman - Sammlung Luchterhand
ISBN/EAN: 9783630621371
Umbreit-Nr.: 1306813

Sprache: Deutsch
Umfang: 156 S.
Format in cm: 1.5 x 18.9 x 12
Einband: kartoniertes Buch

Erschienen am 01.07.2008
€ 8,00
(inklusive MwSt.)
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  • Zusatztext
    • Eine zarte Liebesgeschichte vor der schroffen Landschaft der Bretagne Die 40jährige Madeleine führt ein ganz normales Leben. Nie verpasst sie ihre Lieblingsfernsehserie, mit dessen Helden sie mitfiebert. Immer hält sie den linken Platz auf ihrem Sofa frei, vielleicht setzt sich ja doch irgendwann einmal der Mann ihrer Träume dorthin. Sie hat einen ordentlichen Job, sie ist angestellt bei einer Immobilienagentur. Als sie dem feinen Herrn Castellot ein Haus in der Bretagne zeigen soll, entspinnt sich eine zarte Liebesgeschichte zwischen zwei vom Leben nicht Verwöhnten ...

  • Kurztext
    • "Wie der Einbruch der Liebe die Kämpfe dieser Männer völlig durcheinander bringt, das beschreibt die junge französische Autorin Amanda Sthers sehr amüsant, auch wenn ihre eigentliche Geschichte eine sehr traurige ist." Brigitte zu Die Geisterstraße "So anrührend und grotesk, dass man nicht weiß, ob man lachen oder weinen soll." Woman zu Die Geisterstraße

  • Leseprobe
    • Ernst. Tief. Wohlklingend. Sinnlich. Eine Morgenstimme, die nach heißem Kaffee klang. Eine Männerstimme. Schon beim ersten Mal war es nicht nur eine Stimme. Schon am Telefon war Madeleine nicht ganz bei sich. Er wollte in die Bretagne, seine Frau nicht. Seine Frau meinte, er folge noch immer dem Sarg, meinte, er dürfe trauern, aber die Tatsache, dass sein Vater in Quimper begraben sei, verpflichte sie nicht dazu, ihre Ferien im Dauerregen zu verbringen. Sein Therapeut meinte, so sei es eben, er müsse bis ans Ende gehen.<br />Und sie? Was meinte sie?<br />'Was meinen Sie dazu?', hatte er sie gefragt.<br />Madeleine, Immobilienmaklerin bei Kerguikou View, hatte geantwortet, sie könne ihm einige Objekte zeigen.<br />'Morgen?'<br />Ja, morgen ginge es.<br />Madeleine, die in diesem Beruf seit fast zwölf Jahren arbeitete, hatte das nötige Kleingeld herausgehört und die Lust, es auszugeben. Sie würde ihm drei Häuser zeigen, vier, wenn es ihr gelänge, die Besitzer zu erreichen.<br />Treffpunkt am Flughafen in Brest. Morgen früh.<br />Wie würden sie einander erkennen?<br />'Einen Immobilienmakler erkennt man von weitem', sagte er, 'das ist so, als würde man einen Dummen finden wollen, den man über den Tisch ziehen kann, nur anders herum.'<br />'Das habe ich jetzt nicht ganz verstanden, aber ich werde da sein, Herr ...?'<br />'Castellot. Wie das altertümliche Kastell, nur in klein.'<br />'Ich heiße Madeleine.'<br />Zu Abend isst Madeleine allein, wie an allen anderen Abenden. Sie tut reichlich Butter an ihr Essen, dann setzt sie sich vor den Fernseher. Sie lebt allein, hat sich aber noch nie mitten auf das Sofa gesetzt. Immer der Hoffnung Raum geben, ein männlicher Hintern könne sich neben ihrem niederlassen. Sie war zu allem bereit: die Kontrolle über die Fernbedienung abzugeben, seine Unterwäsche in Ordnung zu halten, Sachen auszubessern.<br />Niemand hat es je von ihr verlangt.<br />Sie sieht sich eine Musiksendung an. Sie bewegt den Kopf wie ein Wackeldackel auf der Hutablage eines Autos. Es gibt eine Asymmetrie zwischen ihren Augenfältchen und den Falten um den Mund herum, zwischen den Tränen, die geflossen sind, und dem, was sie dazu gesagt hat. Eine Asymmetrie zwischen ihrem Leben und ihren Gefühlen. Alles angeschlagen, alles stockend, alles quälend. Alles voller undefinierbarer tränenloser Kümmernisse. Und mitten im Schädel sitzt ein Schmerz. Der sie nie loslässt. Nie. Eine Verletzung, die immer noch schmerzt. Die bis zu den Füßen ausstrahlt.<br />Madeleines Mutter war ein Mädchen aus dem Süden. Ihr Mann, der sich nicht für sie interessierte, hatte hochprozentiges bretonisches Blut in seinen Adern und Augen blaugrau wie ein Sturm über Ouessant, Augen, die er Madeleine mitgegeben hatte. Er hatte ihr auch einige Spuren von Schlägen im gleichen Farbton mitgegeben, die immer noch schmerzten, dreißig Jahre später. Einmal, am Tag nach einer gewaltigen Dresche und noch nüchtern, hatte er seine Tochter nach Le Conquet zum Mittagessen eingeladen. Gegenüber dem Andenkenladen ihres Großvaters. Er hatte seine gute blaue Hose angezogen. Wusste nicht so recht, was er sagen sollte. Sie haben zwei Buchweizen-Crepes bestellt, mit Spiegeleiern. Zur Feier des Tages.<br />Sie aßen. Man hörte die Kleine kauen.<br />Er hatte sie gern, seine Kleine. Er schlug sie, aber hatte sie gern.<br />'Gefällt es dir in der Schule, Mado?'<br />Die Schule. Sie ging hin, wie man aus dem Bauch seiner Mutter kommt. Vom Leben getrieben. Mit dem Kopf zuerst, und fertig. Man hat einfach keine Wahl.<br />'Habe ich denn eine Wahl?', hatte Madeleine gefragt. Sie war fast acht.<br />'Willst du denn so enden wie ich?'<br />Nein, sie wollte nicht auf der Werft arbeiten, Boote bauen oder reinigen und sie anschließend wegsegeln sehen. Nach Fisch stinken und sich keinen leisten können. Sie wollte auch nicht so werden wie ihre Mutter. Bügeln, in die Kirche gehen. Glauben. Zuschauen. Immer nur zuschauen.<br />Heute Abend läuft eine Varietesho ...
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