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Legenden

Roman
ISBN/EAN: 9783630872810
Umbreit-Nr.: 1983636

Sprache: Deutsch
Umfang: 303 S.
Format in cm: 3 x 22 x 14.5
Einband: gebundenes Buch

Erschienen am 27.08.2008
€ 19,95
(inklusive MwSt.)
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  • Zusatztext
    • Ein Mann voller Geheimnisse auf der Suche nach der Wahrheit über sich selbst Zeit seines Lebens fragt sich Gregor Liedmann, ob er der leibliche Sohn seiner Eltern ist oder eine Flüchtlingswaise, an Kindes statt angenommen in den Wirren des Zweiten Weltkriegs. Diese Unsicherheit hat sein Leben geprägt, ihn zum Einzelgänger gemacht, ihn von Frau und Kind fort- und in die Welt hinausgetrieben. Gregor Liedmann, Musiker in Berlin, ist ein verschlossener Mensch, von vielen Geheimnissen umhüllt. Er sei Jude, heißt es, irgendwo im Osten geboren, ein Findelkind. Der wahre Gregor Liedmann, heißt es, sei im Bombenhagel mit drei Jahren umgekommen. Später, 1968, habe Liedmann mit Steinen geworfen, in einer Kommune gelebt und bald darauf Mara geheiratet, eine anarchistische Künstlerin und seine große Liebe. Und trotzdem habe er sie und den gemeinsamen Sohn Daniel nach ein paar Jahren verlassen. Als Trompeter hätte er Weltkarriere machen können, heißt es, er habe in Kanada und in Irland gelebt, aber nirgendwo lange. So viele Legenden umranken ihn, dass keiner mehr weiß, was wahr und was erfunden ist. Jetzt, mit gut sechzig Jahren, erkennt er, wie wichtig ihm Mara und Daniel sind. An einem Tag im späten September fährt er zur Apfelernte auf ein Landgut südlich von Berlin, wo er die beiden wieder trifft und nach der verschütteten Wahrheit, nach sich selbst, nach seiner großen Liebe sucht.

  • Kurztext
    • "Ein sehr beeindruckender Roman über Dichtung und Wahrheit, über deutsche Familienlügen.? Elke Heidenreich / Lesen! "Weit mehr als ein bloßer Selbstfindungsroman." Frankfurter Allgemeine Zeitung "Hugo Hamiltons Roman "Legenden" ist eine anrührende und eindrucksvolle Hommage an Deutschland, das Herkunftsland seiner Mutter." Radio Bremen

  • Leseprobe
    • Sie waren kopflos vor Angst. Schreiend und einander bei den Händen haltend, rannten sie in den Keller, noch halb verschlafen, und wegen der Verdunkelung stießen sie ständig mit anderen zusammen. Die Kinder merkten, wie panisch die Erwachsenen klangen, sie spürten, dass ihre Eltern zitterten, sie hörten das zwischen den Wohnblöcken widerhallende Sirenengeheul und schließlich das dumpfe Orgelbrummen, das die ganze Stadt erfüllte, als die Flugzeuge am Himmel erschienen. Beim Pfeifen der ersten Bomben kauerten sie sich zusammen und beteten. »Jetzt sind wir an der Reihe, Gott steh uns bei.« Sie waren so verängstigt, dass sie vergaßen, wer sie waren. Manche markierten die Zahl der Bombennächte mit Kreide auf den Kellerwänden. Wehrlose Geschöpfe, die sich unter der Erde drängten und sich die Ohren zuhielten, während über ihnen am Nachthimmel die schwarzen Flugzeugstaffeln dahinzogen. Eine Welle nach der anderen, dazwischen tödliche Stille. Sie lauschten dem Fall jeder einzelnen Bombe, versuchten zu erraten, wie nahe sie einschlagen würde. Jedes mal spürten sie, wie die Erde bebte, und auf der Kopfhaut spürten sie die Wucht der Explosionen, die Fensterscheiben zerspringen ließen und die Ziegel von den Dächern rissen. Die Bomben schlugen Schneisen durch die Viertel und ließen Gebäude zurück, die wie Querschnitte von Puppenhäusern aussahen und einen Blick auf das Leben ihrer Bewohner boten, mitsamt ordentlicher Einrichtung, Kommoden und Betten, Tischen und Teegedeck. Manche starben in ihren Wohnungen, weil sie entweder nicht rechtzeitig in den Keller geflüchtet waren oder ihre Angst verdrängt und beschlossen hatten, in den eigenen vier Wänden zu bleiben, wo sie sich mit einem letzten Schluck Wein und einer Prise Galgenhumor trösteten, während der Himmel ringsumher von den »Christbäumen« erhellt wurde, deren Lichter wie fallende Kerzen aussahen. Der Phosphor flutete die Treppen hinab und ergoss sich in die Wohnzimmer, ein grelles, weißes Feuer, das sich an den Schlafzimmerwänden entlangfraß, bis schließlich alles in Flammen stand. Gregor Liedmann schlief in seinem Bett und wachte gar nicht erst auf. Er war knapp drei Jahre alt und glitt nahtlos aus dem Traum in den Tod, umgeben von seinen Stiften, seinem Schreibblock und dem Holzschiff, das ihm sein Großvater Emil gebaut hatte. Er sei, sagte seine Mutter, sehr sprachbegabt gewesen. Er habe früh gesprochen und schon zählen und das Alphabet schreiben können. Ungelenke Buchstaben, die auf der Seite schräg nach unten führten. Abends schlief er immer mit dem Schreibblock unter dem Kopfkissen ein, neben sich die angespitzten Stifte, die seine Mutter, um ihn nicht zu wecken, so behutsam einsammeln musste wie Mikado-Stäbchen. Er träumte vom Spucken, denn er sah immer den beiden älteren Jungen zu, die sich am anderen Ende des Stockwerks über das Geländer beugten und ins Treppenhaus spuckten. Er sah zu, wie die Spucke lautlos und in schwankender Bahn in die Tiefe sauste und schließlich dumpf auf den gebohnerten Fußboden klatschte. Eines Tages bekam er Ärger, weil die alte Dame, die immer einen Hut trug, aufsah und ihn erblickte. Als sie die Treppe heraufkam, um sich zu beschweren, waren die älteren Jungen längst verduftet. Also musste er sich anhören, wie ungezogen es sei, anderen Leuten auf den Kopf zu spucken, und obwohl seine Mutter zu der alten Dame sagte, dass man heutzutage von schlimmeren Dingen getroffen werden könne, war sie hinterher ärgerlich und drohte Gregor damit, ihm die Stifte wegzunehmen, falls er noch einmal ins Treppenhaus spucken würde. Nun sauste eine der mächtigen Minenbomben auf ihn herab. Zweitausend Kilo schwarzer Stahl, vollgepackt mit Sprengstoff. Seine Mutter rannte durch den Flur, wurde aber von der Druckwelle erfasst und zurück in den zur Straße gelegenen Teil der Wohnung geschleudert, wo die Zimmerdecke über ihr zusammenbrach. Man fand sie in einem Bett aus Gips, bedeckt von einem Chaos aus Balken und verbogenen Trägern. Nachdem sie wieder zu Bewusstsein gekom
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