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Wie viel Musik braucht der Mensch?

eBook - Über Oper und Komponisten
ISBN/EAN: 9783641037161
Umbreit-Nr.: 1799707

Sprache: Deutsch
Umfang: 256 S., 0.96 MB
Format in cm:
Einband: Keine Angabe

Erschienen am 26.11.2009
Auflage: 1/2009


E-Book
Format: EPUB
DRM: Digitales Wasserzeichen
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  • Zusatztext
    • <b>»Komm ins Offene, Freund!, rief der schwärmerische Hölderlin. Hans Neuenfels geht mit seinen ergreifenden Texten zur Musik ganz tief ins Innere.« Elke Heidenreich</b><br /><br />Hans Neuenfels ist nicht nur das enfant terrible der deutschen Opernregie, dessen Inszenierungen regelmäßig heftige Kontroversen hervorrufen, er war auch immer schriftstellerisch tätig. So entstanden Gedichte, Libretti, Erzählungen und ein Roman. In den vorliegenden Texten setzt er sich mit Komponisten und Opern auf eine ganz persönliche und unverwechselbare Weise auseinander. Er nähert sich ihnen an, umkreist sie und träumt sich etwa in Giuseppe Verdi, Wolfgang Amadeus Mozart, Richard Wagner, Bernd Alois Zimmermann oder Johann Simon Mayr hinein. Dabei sind literarische Miniaturen und Fantasien von enormer sprachlicher Wucht entstanden. Sie sind durchtränkt von der Leidenschaft des großen Theater- und Opernmannes, bieten neue, ungewöhnliche Sichtweisen auf die Komponisten und ihre Werke und tragen zu einem tieferen Verständnis von Neuenfels Denk- und Arbeitsweise bei.<p>Einer der bedeutendsten und provokantesten Opernregisseure unserer Zeit, mehrfach ausgezeichnet.

  • Autorenportrait
    • Hans Neuenfels, geboren 1941 in Krefeld, inszenierte u.a. am Schauspiel Frankfurt, das er unter der Leitung von Peter Palitzsch mitprägte. Von 1986 bis 1990 war er Intendant der Freien Volksbühne Berlin. Seit 1974 inszenierte er über 30 Opern, 2010 inszenierte Neuenfels Richard Wagners Lohengrin bei den Bayreuther Festspielen. 2005 und 2008 wurde er zum Opernregisseur des Jahres gewählt. Neuenfels drehte Filme über Kleist, Musil, Genet und Strindberg und schrieb Libretti, Dramen und Romane. 1994 erhielt er die Kainz-Medaille der Stadt Wien. Er ist mit der Schauspielerin Elisabeth Trissenaar verheiratet. Der gemeinsame Sohn ist der Kameramann Benedict Neuenfels.
  • Leseprobe
    • Eine Art Vorwort<br /><br />In 35 Jahren - von 1974 bis 2009 - habe ich 30 Opern inszeniert. Die erste war Giuseppe Verdis Der Troubadour, die vorläufig letzte Verdis La Traviata nach Macbeth, Aida, Die Macht des Schicksals, Rigoletto, nochmals Der Troubadour und Nabucco. Spät erst, als 57-Jähriger, die Begegnung mit Mozart auf der Bühne: Die Entführung aus dem Serail, Così fan tutte, Don Giovanni, Idomeneo und Die Zauberflöte. Zuvor ein einmaliges Erlebnis mit Richard Wagner Die Meistersinger von Nürnberg, das nach langer Unterbrechung mit Tannhäuser fortgesetzt wurde. Dazwischen große Gegensätze, die Musikwelten von Franz Schreker, Bernd Alois Zimmermann, Ferruccio Busoni, Alexander Zemlinsky, Giacomo Meyerbeer, Johann Strauß, Leos Janäcek, Ludwig van Beethoven, Dimitri Schostakowitsch, Othmar Schoeck. Und vier glückliche Abenteuer mit drei zeitgenössischen Komponisten: mit York Höller Der Meister und Margarita nach Michail Bulgakow - parallel dazu entstand ein Musikfilm Das blinde Ohr der Oper, den ich mit meinem Sohn Benedict, der Kameramann ist, drehte -, mit Adriana Hölszky, deren Oper Die Wände nach Jean Genet ich uraufführte und für die ich ein Libretto nach meinem Text Giuseppe e Sylvia schrieb, sowie mit dem Komponisten Moritz Eggert. Seinem Sing- und Tanzspiel Die Schnecke liegt mein Libretto zugrunde. Schließlich, fast zu nah, Schumann, Schubert und der Schnee, eine Oper aus Liedern der zwei Komponisten, zu deren Librettisten ich mich ebenfalls - verwegenerweise - machte.<br /><br />Die folgenden Texte entstanden im Vorfeld oder im Umkreis der Inszenierungen, sind eher Beschwörungen, Ablagerungen freigelegter Empfindungsschichten, Auffangbecken der überwältigenden Gefühle. Ich musste etwas tun, um nicht von der Gewalt der Kompositionen fortgeschwemmt zu werden. Ich wollte mitgerissen werden - o ja! -, nur nicht dumpf, bewusstlos, passiv. Ich wollte vor allem die Genüsse aus Irrtümern und Erkenntnissen wiederholen können, um sie neu zu überprüfen und die Musik bis zum Letzten auszukosten. Jedes Libretto hat mich hauptsächlich informativ interessiert. Die Hauptsache ist, sagte ich mir, dass es den Komponisten zur Musik verführt hat. Was liegt hinter den Noten, fragte ich mich, wie ich mich ebenso fragte, was liegt hinter meinem täglichen oder geplanten Tun. Ich suchte ununterbrochen nach möglicher Identifikation, nach unmittelbaren oder verborgenen Verknüpfungen zu den Komponisten und ihrer Musik. Deswegen berücksichtigen die Texte auch nicht die wichtigsten Realisatoren, die Sänger und Dirigenten, nicht die Bühnen- und Kostümbildner und Dramaturgen. Es ist noch nicht soweit. Die Texte umkreisen noch, spüren auf, wärmen sich an, umwerben, hoffen auf Freundschaft, auf Einlass, auf Zusammenarbeit.<br /><br />HANS NEUENFELS<br />Berlin, März 2009<br /><br />Ferruccio Busoni - imago mio<br /><br />Deine Musik tut mir weh<br />Sie ist bald Morgen<br />Gegen den schmalen Rand Utopie<br />Muss ich blinzeln bis ich denke<br /><br />Wenn du eine rosa Hyazinthe Auf einen alten Tisch stellst Vor ein Fenster das groß ist Und draußen liegt Schnee Habe ich fast deinen Klang<br /><br />Deine Musik tut mir weh<br />Ist kurz vor dem Moment<br />Bevor der Samen austritt<br />Aber das Gefühl noch länger danach<br /><br />Als ich dich in Zürich traf 1917 oder 1919 im Mai oder Europa Und wann wurde ich geboren Ich glaube 1941 sagen die Eltern Deine Musik tut mir weh<br /><br />Als ich dich in Zürich traf Und Bergson so schweigsam war Und Pfitzner höhnisch wie ein Pfau Das Törtchen Madeleine als Dessert aß Ging Lenin vorbei und grüßte dich<br /><br />Deine Musik tut mir weh<br />Gleicher Raum den gleiche Zeit betritt<br />Die doppelte Identität<br />Die mich schizophren macht<br /><br />Wenn der Gruß aufrichtig wird<br />Die Keuschheit scharf<br />Und Sympathie kein Schimpfwort mehr<br />Dann spielt Chapl Hauptfigur versah. Aber ich war davon überzeugt, dass Verdi sich keinesfalls an mir rächen wollte, und bestand auf meiner Idee. Die Alopecia verschwand. 1981 wiederholte ich den Auftritt des Engels in Die Macht des Schicksals. Die wunderbare Sängerin Julia Varady geriet wegen meines Einfalls völlig aus dem Häuschen. Ich spürte ein heftiges Stechen in der linken Kopfseite, doch nach einigen harten Tagen - würde die Varady singen?, würde die Alopecia ausbrechen? - entschloss sich die Sängerin, Freundschaft mit dem Engel zu schließen. Meine Kopfschmerzen verschwanden, und es wurde ein großer Triumph. Die Anekdoten, die meine Verdi-Inszenierungen begleiteten, umspielen in Verdi einen Mann, der scheinbar dazu nicht den geringsten Anlass bietet, der fast feindlich jeden Einblick in sein Privatleben verwehrte, nie aber aus seinen intimen und gesellschaftlichen Ansichten ein Hehl machte, jede staatliche Belobigung bis auf eine - und das war ein Missverständnis - ablehnte und erst, als seine Verbindung mit der Sängerin Giuseppina Strepponi im Städtchen Busseto zum quälenden Tagesgespräch wurde, mit ihr nach Paris zog, und zwar in die Rue Fontaine-St.-Georges 24, wie die Spitzel berichteten.<br />Man trifft im Leben, wenn man Glück hat, einige Lebende, die das Leben lebenswert machen. Doch glaube ich, die Zahl der Toten ist ungleich größer. Deswegen habe ich zu der Musik von Adriana Hölszky ein Libretto geschrieben. Giuseppe e Sylvia heißt die Oper, die das Leben der Toten zum Thema hat, wobei mit Giuseppe Giuseppe Verdi gemeint ist.<br />Dass Verdi mir eines Tages erschienen ist, ist ebenso natürlich, wie anderen Elvis Presley, John Lennon oder die Heilige Jungfrau Maria erscheinen. Aber warum gerade Verdi? Warum zum Beispiel nicht Ferruccio Busoni? Während ich seinen Faust inszenierte, identifizierte ich mich völlig mit dem Komponisten. <br /><br />
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