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Das fünfte Kind

Bibliothek der Weltliteratur - Roman
ISBN/EAN: 9783717521341
Umbreit-Nr.: 1243120

Sprache: Deutsch
Umfang: 288 S.
Format in cm: 1.4 x 15.5 x 9.8
Einband: Leinen

Erschienen am 17.03.2008
€ 17,90
(inklusive MwSt.)
Nicht lieferbar
  • Zusatztext
    • Eine kluge Parabel auf den Einbruch des Schicksalhaft-Befremdlichen in ein rational geordnetes Dasein Was macht den Menschen aus? Wo liegen seine naturgegebenen Grenzen? Und in welches tiefe moralische Dilemma kann konsequente Menschlichkeit führen? - Doris Lessings Roman ist der packende Psychothriller einer Durchschnittsfamilie, deren trautes Heim sich durch das fünfte Kind in die Hölle auf Erden verwandelt. Harriet und David Lovatt haben sich gegen den Zeitgeist ihrer Generation, der 68er, den Traum eines gutbürgerlichen Lebensstils erfüllt. Luke, Helen, Jane und Paul heißen ihre vier Sprösslinge. Als noch ein Nachzügler in ihr Leben tritt, wird alles anders. Durch Ben sehen sie sich plötzlich mit dem konfrontiert, was sie bislang von sich fernhalten konnten: familiärer Zwist, Irritation, Abscheu, Gewalt. Sowohl äußerlich als auch von seiner Wesensart erscheint ihnen das Kind als Eindringling aus einer anderen Welt. Nach heftigen inneren Kämpfen ist es schließlich die Mutter, die sich ganz bewusst dem Unergründlichen aussetzt und ihr Schicksal mit allen Konsequenzen in Kauf nimmt. In seiner Ambivalenz ist 'Das fünfte Kind' eines der mitreißendsten Werke der Nobelpreisträgerin Doris Lessing (geb. 1919) - ein subtil erzähltes Familiendrama und zugleich eine hintergründige Parabel auf unsere Epoche, die alles Befremdliche auszublenden sucht und gerade deshalb von ihren düstersten Alpträumen heimgesucht wird. 'Es ist das Verdienst des Romans', schreibt Annette Mingels in ihrem Nachwort, 'alle einfachen Dichotomien von Gut und Schlecht, Richtig oder Falsch aufzulösen. Vor Ben versagen die Gewissheiten der Moderne.'

  • Kurztext
    • «Der Scheinwerfer dieser starken Prosa ist am Ende mehr und mehr auf eine Gesellschaft gerichtet, die Andersartige nicht verkraften kann oder will, und auf die Auswirkung unlösbarer moralischer Probleme ? ?Das fünfte Kind? ist ? von einer seltenen Erzählenergie und einem humanen Engagement erfüllt, das den Lesenden angreift, nicht loslässt und die Stockholmer Wahl dieser Preisträgerin nachdrücklich bestätigt.» Ruth Klüger, Literarische Welt «Es ist die Geschichte einer nicht ganz durchschnittlichen englischen Familie. Das Paar sticht durch Glücksanspruch, Ideale und moralische Werte hervor. Sein Lebenskonzept scheint aufzugehen - bis das fünfte Kind geboren wird. Von ihm geht bereits während der Schwangerschaft das Unheil des Andersseins aus... Das Buch stellt die Frage, wie viel Fremdheit Menschen ertragen können, wie weit Normen zwingend, ja überlebensnotwendig sind. Und es zeigt auch, wie leicht Glück durch Unplanbares zerstört werden kann.» Münchner Merkur »Ein spannender Roman. Doris Lessing hält bis zuletzt die innere Spannung auf hohem Niveau. Mit exzellenten Nachwort.« Hermannstädter Zeitung

  • Leseprobe
    • Harriet und David lernten einander bei einer Betriebsfeier kennen, zu der sie beide nicht besonders gern gegangen waren, doch merkten sie sofort, daß dies der Moment war, auf den sie gewartet hatten. 'Konservativ', 'altmodisch', um nicht zu sagen 'altbacken', 'menschenscheu', 'schwer zufriedenzustellen': Das war nur eine kleine Auswahl der wenig begeisterten Adjektive, mit denen andere Leute sie belegten, und sie verdienten noch viele weitere. Sie aber beharrten störrisch auf ihrer Selbsteinschätzung, nämlich daß sie das Recht hatten, normal zu sein, und niemand sie wegen ihrer wählerischen, heiklen und anspruchsvollen Enthaltsamkeit zu kritisieren hatte, nur weil diese Eigenschaften nicht mehr in Mode waren. Auf dieser berühmten Party drängten sich etwa zweihundert Leute in einem langen, festlich geschmückten Raum, der sonst dreihundertvierunddreißig Tage im Jahr als Sitzungssaal diente. Drei assoziierte Firmen, die alle mit dem Baugeschäft zu tun hatten, gaben ihre gemeinsame Neujahrsparty. Es war sehr laut. Die hämmernden Rhythmen einer kleinen Band erschütterten Wände und Decken. Die meisten der Geladenen tanzten, wobei es infolge des Platzmangels sehr eng zuging, so daß viele Paare stets an ein und derselben Stelle auf und ab wippten oder umeinander kreisten, als befänden sie sich auf einer unsichtbaren Drehscheibe. Fast alle Frauen waren theatralisch und grellbunt aufgetakelt: Seht mich an! Seht mich an! Und einige der Männer forderten ebensoviel Beachtung. Ringsumher drückten sich Nichttänzer an die Wände, unter ihnen Harriet und David, ganz für sich, das Glas in der Hand, als stille Beobachter. Beide fanden, daß die Gesichter der Tanzenden, besonders der Frauen, aber auch der Männer, ebensogut von den Grimassen und vom Schreien aus höchster Qual heraus hätten verzerrt sein können wie vom Ausdruck des Vergnügens. Die Szene hatte etwas forciert Munteres. Aber weder Harriet noch David hätten je erwartet, daß irgendwer solche und andere ketzerische Gedanken mit ihnen teilen würde. Über den ganzen Raum hinweg glich Harriet, sofern man sie zwischen so vielen auffälligen Gestalten überhaupt bemerkte, einem verwischten Pastellfleck, der, wie in einem impressionistischen Gemälde oder einer Fotomontage, mit seiner Umgebung verschmolz, zumal sie neben einer großen Bodenvase mit trockenen Gras- und Laubbüscheln stand und ein irgendwie geblümtes Kleid anhatte. Stellte man den Blick schärfer auf sie ein, so erkannte man eine unmoderne dunkle Lockenfrisur, nachdenkliche blaue Augen und einen etwas zu fest geschlossenen Mund. Ihre Züge waren überhaupt fest und ausgeprägt, und ihr Wuchs war kräftig. Eine gesunde junge Frau also. Aber vielleicht eher in einen Garten passend als hierher? David war schon seit einer Stunde stehengeblieben, wo er gerade stand, und während er bedächtig an seinem Glas nippte, verweilten seine ernsten blaugrauen Augen bald auf einer Einzelperson, bald auf einem Paar; er sah, wie sie sich fanden, trennten, suchten und mieden. Auf Harriet machte er den Eindruck, nicht ganz auf festem Boden zu stehen, sondern fast zu schweben, als balanciere er ständig auf den Zehenspitzen. Ein schlanker, ja fast zierlicher junger Mann, der mit seinem runden, offenen Gesicht noch jünger aussah, als er tatsächlich war. Sein weiches braunes Haar mochte manche Frauen verlocken, mit den Fingern hindurchzufahren, aber wenn sie dann seinen sinnenden Blick auf sich fühlten, ließen sie es lieber bleiben. Ihnen wurde unbehaglich zumute. Harriet nicht, sah sie doch in dieser abwägenden Zurückhaltung ein Abbild ihres eigenen Wesens und erkannte, daß seine heitere Miene nur aufgesetzt war. Er dachte über sie im stillen ganz ähnlich: Sie schien solche Betriebsfeste ebensowenig zu mögen wie er. Beide hatten schon erfahren, wer der andere war. Harriet arbeitete in der Verkaufsabteilung einer Firma, die Bauteile entwarf und herstellte; David war Architekt. Was also machte gerade diese beiden zu solchen Außenseitern? Es waren ihre Ansichten
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