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Das Tagebuch (1880-1937), Band 4 (Das Tagebuch 1880-1937. Leinen-Ausgabe, Bd. 4)

1906-1914, Das Tagebuch 1880-1937. Leinen-Ausgabe 4
ISBN/EAN: 9783768198141
Umbreit-Nr.: 175248

Sprache: Deutsch
Umfang: 1270 S.
Format in cm: 6.6 x 24.2 x 17.5
Einband: Leinen

Erschienen am 05.10.2005
€ 63,00
(inklusive MwSt.)
Nicht lieferbar
  • Zusatztext
    • 'Lauter äusserste Spannungen, die ein Fluidum, eine nicht unangenehme Überwachheit der Nerven entwickelten': Harry Graf Kesslers Tagebuch Europas vor dem Ersten Weltkrieg zwischen 1906 und 1914. Graf Kessler tritt als Leiter des Großherzoglichen Museums für Kunst in Weimar zurück. Er schildert Eindrücke und Personen auf seinen Reisen zwischen Paris, London, Berlin und Weimar und detailliert eine Griechenlandreise mit Hofmannsthal und Aristide Maillol. Die Pläne für ein gigantisches Nietzsche-Denkmal in Weimar werden erörtert. Politik (so die Affäre um den Berliner Polizeipräsidenten von Jagow) und Kulturleben (so Diaghilews Ballets Russes) spielen auch in diesen Aufzeichnungen die herausragende Rolle. Und schon ein flüchtiger Überblick über Kesslers Begegnungen, die er in diesem Band schildert, weckt die äußerste Neugier. Der Leser begegnet Sarah Bernhardt, Pierre Bonnard, Edward Gordon Craig, Gabriele d'Annunzio, Eleonore Duse, Maximilian Harden, Walther Rathenau, Max Reinhardt, Rainer Maria Rilke, Auguste Rodin, George Bernard Shaw, Richard Strauss, Carl Sternheim, Igor Strawinsky und anderen.

  • Kurztext
    • Der nun erscheinende Band 4 umfaßt den Zeitraum zwischen 1906 und 1914. Im Mai auf Platz 1 der Bestenliste von NDR/SZ/Buchjournal »In diesen Tagebüchern«, schrieb die WELT, »können wir nachvollziehen, wie in Deutschland die Moderne Einzug hält«. »Wir alle, begierig wartend seit Jahren auf diese Edition, haben Grund zum Feiern.« Fritz J. Raddatz (Die Zeit, 22.4.2004) »Etwas Ähnliches, von einer einzigen Hand geschrieben, besitzen wir nicht.« Tilman Spreckelsen (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 8.4.2004)

  • Autorenportrait
    • Harry Graf Kessler, 1868 in Paris geboren. Kindheitsjahre in Frankreich und England. Jurastudium in Bonn und Leipzig. 1895 Aufsichtsrat der Zeitschrift 'PAN'. Mehrere Weltreisen. Bekanntschaft mit u.a. Hofmannsthal, Henry van de Velde, Rilke, Rathenau. Tätigkeit für das Nietzsche-Archiv in Weimar. 1913 Erste Werkstatt der 'Cranach-Presse'. 1917 Friedenssondierungen mit Frankreich. 1918 Deutscher Gesandter in Warschau. März 1933: Kessler verläßt Deutschland. Übersiedlung nach Paris, dann nach Mallorca. 1937 Kessler stirbt in Lyon.Den Möglichkeiten seiner gesellschaftlichen Stellung folgend, strebt Kessler zunächst die Diplomatenlaufbahn an, als deren Grundlage er 1888 sein Jurastudium in Bonn beginnt und einige Jahre später in Leipzig mit Promotion abschließt. Während des Studiums besucht er auch Literatur- (H. Usener), Psychologie- (W. Wundt) und Kunstvorlesungen (A. Springer). Nachdem eine diplomatische Karriere an Widerständen aus dem Auswärtigen Amt gescheitert ist, konzentriert er sich auf mäzenatische Aufgaben. Er ist es hauptsächlich, der die Aufmerksamkeit in Deutschland auf den französischen Impressionismus lenkt.Kessler arbeitet an der Berliner Kunst- und Literaturzeitschrift PAN mit, initiiert den Deutschen Künstlerbund zur Förderung aktueller, progressiver Kunst und unterstützt Künstler wie Johannes R. Becher, Edvard Munch, Aristide Maillol, Detlev von Liliencron, Rainer Maria Rilke. Während seiner Zeit als Direktor des 'Großherzoglichen Museums für Kunst und Kunstgewerbe' in Weimar versucht er, dort ein Zentrum kultureller Erneuerung aufzubauen. Er hat bereits zuvor auf die Berufung Henry van de Veldes dorthin zur Gründung eines 'Kunstgewerblichen Seminars' hingewirkt, aus dem sich später das Bauhaus entwickelte.Unter seinen Freunden sind besonders Eberhard von Bodenhausen, Henry van de Velde und Hugo von Hofmannsthal hervorzuheben. Mit letzterem zusammen verfaßt er den 'Rosenkavalier' und das Ballett 'Josephslegende'.Kesslers Gründung der Cranach-Presse setzt bibliophile Maßstäbe in Deutschland. In Zusammenarbeit mit Schriftstellern, Künstlern und Grafikern entstehen Klassiker der modernen Buchkunst.Mit dem Ersten Weltkrieg verlagern sich Kesslers Interessenschwerpunkte wieder auf den politischen Bereich. Er ist nur kurz als Reserve-Offizier an der Front; nach seiner Rückkehr leitet er in Bern die deutsche Kulturpropaganda. 1918 reist er als erster deutscher Gesandter nach Warschau, wird jedoch bereits nach wenigen Wochen des Landes verwiesen - die politisch verworrenen Verhältnisse zwischen Deutschland und Polen stehen seinen Bemühungen um Verständigung entgegen. Er entwickelt Ideen zu einem Völkerbund und wird kurzzeitig Präsident der Deutschen Friedensgesellschaft. Der Versuch, 1924 ein Reichstagsmandat zu erlangen, mißlingt. In der Folge gibt er seine politischen Ambitionen weitgehend auf und konzentriert sich auf die Arbeit mit der Cranach-Presse. Über Walther Rathenau, den er seit den frühen Berliner Jahren gekannt hat, schreibt er eine Biographie.1933 kehrt Kessler nach Warnungen durch Freunde von einer Parisreise nicht mehr nach Deutschland zurück. Er lebt im Exil zunächst auf Mallorca, dann bei seiner Schwester in Südfrankreich. Während dieser Jahre arbeitet er intensiv an seinen Memoiren, deren erster Band 1935 erscheint. Die weiteren Bände kann er nicht mehr fertigstellen; Kessler stirbt am 30. November 1937 in Lyon.Über sechs Jahrzehnte hinweg (1880-1937) führt Kessler fast lückenlos Tagebuch. Seine Hauptthemen sind Literatur, Bildende Kunst und vom Ersten Weltkrieg an verstärkt auch Politik. Es wird weniger über die eigene Befindlichkeit berichtet; vielmehr werden Impressionen und Reflexionen festgehalten sowie Gespräche protokolliert. In einigen Teilen waren die Tagebücher als Erinnerungstütze für geplante Veröffentlichungen gedacht.Durch den Großen, breitgefäherten Kreis von Kesslers Aktivitäten und Bekanntschaften ist das Tagebuch von unschätzbarem Wert für die Zeit- und Kulturgeschichte.Weitere Informationen zum Tagebuch-Projekt finden Sie beim Deutschen Literatur
  • Schlagzeile
    • »Das Jahrhundertprotokoll« Karl Schlögel (Merkur, Juli 2004)
  • Leseprobe
    • Auszug aus der Einleitung 'Lauter äusserste Spannungen, die ein Fluidum, eine nicht unangenehme Überwachheit der Nerven entwickelten': Harry Graf Kesslers Tagebuch Europas vor dem Ersten Weltkrieg 'Als ob noch 1913 wäre' 'Abends nach Weimar. Der alte Kutscher stand am Bahnhof. Mein Hund empfieng mich mit überschwänglicher, rührender Freude. Mein Haus schien in fast wunderbarer Weise unverändert nach Jahren so gewaltiger Ereignisse: jung und hell in der späten Stunde, unter den strahlend angedrehten Lichtern, aus Dornröschen Schlaf erwacht; die impressionistischen und neoimpressionistischen Gemälde, die französischen, englischen, italienischen, griechischen, deutschen Bücherreihen, die Figuren und Figürchen von Maillol, seine etwas zu starken, wollüstigen Frauen, sein schöner nackter Jüngling nach dem kleinen Colin, als ob noch 1913 wäre, und die vielen Menschen, die hier waren und jetzt tot, verschollen, verstreut, feind sind, wiederkommen und Europäisches Leben neu beginnen könnten. Es kam mir vor wie ein Schlösschen aus Tausend und Einer Nacht voll von allerlei Schätzen und halbverblassten Zeichen und Erinnerungen, an denen ein aus einer andren Zeit Verschlagener nur nippen darf. Ich fand eine Widmung von d'Annunzio, Persische Cigaretten aus Ispahan mitgebracht von Claude Anet, die Bonbonniere von der Taufe des jüngsten Kindes von Maurice Denis, ein Programm des Russischen Balletts von 1911 mit Bildern von Nijinsky, [.] und, noch unausgepackt, Robert de Montesquious drollig-gravitätisches aus dem Jahre vor dem Kriege datiertes Prachtwerk über die schöne Gräfin von Castiglione, die er posthum zu lieben affektierte: ihr Nachthemd lag in einem Schmuckkästchen oder kleinen Glassarg in einem seiner Empfangsräume. Wie ungeheuer hat sich aus jenem europäischen Leben, gerade aus ihm, das Schicksal zusammengeballt, so wie aus den Schäferspielen und dem leichten Esprit der Boucher und Voltaire Zeit die nächstblutigste Tragödie der Geschichte. Dass die Zeit nicht einem festeren Frieden sondern dem Kriege zutrieb, haben wir eigentlich Alle gewusst; doch gleichfalls auch nicht gewusst. Es war eine Art von Schwebezustand, der wie eine Seifenblase plötzlich platzte und spurlos verschwunden war, als die höllischen Kräfte, die in seinem Schoosse brodelten, reif waren. ' (Tagebuch, 17.8.1918) Im August 1918 kehrt Harry Graf Kesslernach fast zweijhriger Abwesenheit in sein Weimarer Haus in der Cranachstraße zurück. Von August 1914 an hatte er am Ersten Weltkrieg teilgenommen, zunächst als Kommandeur einer Artillerie-Munitionskolonne in Belgien, später an der Ostfront. Seit dem Herbst 1916 war er, nicht mehr in militärischer, sondern in diplomatischer Mission, Leiter der deutschen Kulturpropaganda an der Gesandtschaft in Bern. In der Weimarer Wohnung tritt dem Hausherrn im Sommer 1918 sein eigenes Leben in den Jahren unmittelbar vor dem Ersten Weltkrieg entgegen. Die im Haus aufbewahrten Erinnerungsstücke führen ihm die Kultur der Vorkriegszeit vor Augen, die Räume sind noch erfüllt von der Atmosphäre eines bis ins Jahr 1914 verlängerten Fin de Siècle. Beim Rundgang des Besitzers wird mehr als nur ein Inventar wiederbegrüßt, ein Zeitalter wird besichtigt. In der für das Tagebuch charakteristischen Exaktheit vermag die Beschreibung der Wohnung tatsächlich so gut wie alle wichtigen Aspekte von Kesslers Vorkriegsexistenz zu benennen. Da ist zunächst der Bereich der Bildenden Kunst mit den impressionistischen und neoimpressionistischen Gemälden, die an Kessler als Kunstkenner und Kunstsammler erinnern, der sich als Liebhaber und von 1903 bis 1906 in offizieller Funktion als Leiter des Großherzoglichen Museums für Kunst und Kunstgewerbe in Weimar maßgeblich für die Einführung der modernen französischen Malerei in Deutschland eingesetzt hatte. Die Erwähnung Aristide Maillols verweist in diesem Zusammenhang auf Kesslers mäzenatische Tätigkeit: 1907 hatte dieser bei ihm die Statue Le Cycliste in Auftrag gegeben, hatte selbst das Modell, den jungen Radrennfahrer Gaston Colin, dazu ausgesucht und Maillols Arbeit an der Plastik kontinuierlich beobachtet, diskutiert sowie mit zahlreichen Atelierphotographien dokumentiert und im Tagebuch festgehalten. Die französischen, englischen, italienischen, griechischen und deutschen Bücherreihen in der Weimarer Wohnung wiederum stehen für den mit zahlreichen Literaten befreundeten homme de lettres Kessler, sie stehen viel allgemeiner aber auch für das Milieu europäisch-humanistischer Kultur und Bildung, in dem er aufgewachsen war: Im Bücherregal, aber auch nur im Bücherregal ist diese Kultur im August 1918 noch präsent. Ein letzter Aspekt, durch ein wiedergefundenes Programmheft evoziert, ist schließlich das Ballett und besonders das Ballet Russe, für das sich Kessler seit dessen ersten Auftritten in Paris im Jahr 1909 begeistert und für das er die zwei Monate vor Kriegsausbruch uraufgeführte Josephslegende verfaßt hatte. Kesslers Tagebuchaufzeichnung vom 17. August 1918 geht über eine Aufzählung der eigenen Interessen und Begegnungen der Vorkriegszeit aber noch hinaus. Im Rückblick unternimmt er eine scharfe Zeitdiagnose, die auch von Selbstkritik nicht frei ist. Daß die Zeit mit ihren höllischen Kräften, die im Schoosse des von ihm intensiv miterlebten europäischen Lebens gebrodelt hätten, dem Krieg zutrieb, hätten alle gewusst, doch gleichfalls auch nicht gewusst. Wie seine Tagebücher der Jahre 1906 bis 1914 belegen, wußte Kessler selbst sehr wohl um die Gefahr eines europäischen Krieges. Zahlreiche Reflexionen sowie Gespräche mit deutschen, englischen und französischen Politikern, Diplomaten und Künstlern über die gespannte politische Situation sind dort protokolliert, aufmerksam berichtet Kessler über die teilweise übersteigert nationalistische und kriegsbegeisterte Stimmung im Europa der Vorkriegszeit und über außenpolitische Spannungen, die Algeciras-Konferenz 1906, die österreichische Annexion Bosnien-Herzegowinas 1908 und die Marokko-Krise 1911. Der vierte Band des Tagebuchs beginnt im Januar 1906 mit Kesslers Bemühungen um einen von ihm initiierten offenen Brief zur deutsch-englischen Verständigung, den zahlreiche deutsche und englische Künstler, Schriftsteller, Musiker, Intellektuelle und Wissenschaftler unterzeichneten. Er endet am 4.August 1914 mit den Worten: 'Spät die englische Kriegserklärung.' Nicht das Politische, sondern das Ästhetische steht jedoch in Kesslers Rückblick vom August 1918 im Mittelpunkt. In den Kunstgegenständen und Büchern in Kesslers Weimarer Wohnung erscheint die Vorkriegszeit gebannt, ästhetisch aufgehoben, und sie sind es daher, die das "Europäische Leben" im Konjunktiv, im Modus des "als ob" vor dem geistigen Auge wieder aufleben lassen: "als ob noch 1913 wäre, und die vielen Menschen, die hier waren und jetzt tot, verschollen, verstreut, feind sind, wiederkommen und Europäisches Leben neubeginnen könnten." Gerade aber weil ästhetische Gegenstände, Artefakte im Mittelpunkt stehen, wirkt es, als habe dieses europäische Leben immer schon im Modus des "als ob" stattgefunden, als sei es bereits damals nur ein schöner Schein gewesen. Das Weimarer Haus, in dem Künstler, Literaten und Theaterleute in der kunstgewerblichen Atmosphäre der von van de Velde gestalteten Wohnungseinrichtung, unter den Bücherreihen mit europäischer Literatur und den vielen kostbaren Gemälden und Statuen dinierten und über neue Pläne und Projekte diskutieren, dieses Haus ist 1918 und war bereits 1913 "ein Schlösschen aus Tausend und Einer Nacht". Das eigene europäische Leben, so rekapituliert Kessler im August 1918, war ein ästhetisch-scheinhaftes: 'ein Schwebezustand', 'eine Seifenblase, die plötzlich platzte'. Beides, die Gegensätze und Spannungen der Zeit und der eigenartige 'Schwebezustand' des europäischen Lebens vor dem Ersten Weltkrieg, kommen in Kesslers Tagebuch der Jahre 1906 bis 1914 zum Ausdruck. Zur äußeren Gestalt des Tagebuchs 1906-1914 Ebenso gegensätzlich wie die geschilderte Zeitspanne ist die ä...
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