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Das Tagebuch (1880-1937), Band 6 (Das Tagebuch 1880-1937. Leinen-Ausgabe, Bd. 6)

1916-1918, Das Tagebuch 1880-1937. Leinen-Ausgabe 6
ISBN/EAN: 9783768198165
Umbreit-Nr.: 175560

Sprache: Deutsch
Umfang: 962 S., 12 Fotos, Leinen mit eingelassenem Titelsc
Format in cm: 6.6 x 24.2 x 17.3
Einband: Leinen

Erschienen am 19.07.2006
€ 58,00
(inklusive MwSt.)
Nicht lieferbar
  • Zusatztext
    • Zwischen Fronteinsatz, Propagandakrieg und Diplomatie - Harry Graf Kessler und sein Tagebuch in der zweiten Hälfte des Ersten Weltkriegs (1916-1918) Der sechste Band in Stichworten: Kessler arbeitet seit Ende 1916 an der Gesandtschaft in Bern als Leiter der deutschen Kulturpropaganda in der Schweiz. Er organisiert Theater- und Operngastspiele, notiert die Schwierigkeiten von Kunstausstellungen im Krieg und die Aktionen der Kinopropaganda. Weiterhin: Berichte über Intrigen, Spionage und Geheimverhandlungen in der Schweiz. Unterredungen mit Hindenburg und Ludendorff im deutschen Hauptquartier. Teilnahme an der Aushandlung der deutsch-russischen Verträge im Sommer 1918. Freilassung des polnischen Generals Pilsudski aus der Festungshaft in Magdeburg. Novemberrevolution 1918 in Berlin. Kessler als erster deutscher Gesandter in Polen. Begegnungen mit Johannes R. Becher, Matthias Erzberger, George Grosz, John Heartfield, Annette Kolb, Else Lasker-Schüler, René Schickele, Gustav Stresemann, Fritz und Curt von Unruh und Theodor Wolff.

  • Kurztext
    • Kessler war »der Mann, der das alte Europa und seinen langen, schmerzhaften Untergang eindringlicher porträtiert hat als jeder andere.« Johannes Saltzwedel, Der Spiegel

  • Autorenportrait
    • Harry Graf Kessler, 1868 in Paris geboren. Kindheitsjahre in Frankreich und England. Jurastudium in Bonn und Leipzig. 1895 Aufsichtsrat der Zeitschrift 'PAN'. Mehrere Weltreisen. Bekanntschaft mit u.a. Hofmannsthal, Henry van de Velde, Rilke, Rathenau. Tätigkeit für das Nietzsche-Archiv in Weimar. 1913 Erste Werkstatt der 'Cranach-Presse'. 1917 Friedenssondierungen mit Frankreich. 1918 Deutscher Gesandter in Warschau. März 1933: Kessler verläßt Deutschland. Übersiedlung nach Paris, dann nach Mallorca. 1937 Kessler stirbt in Lyon.Den Möglichkeiten seiner gesellschaftlichen Stellung folgend, strebt Kessler zunächst die Diplomatenlaufbahn an, als deren Grundlage er 1888 sein Jurastudium in Bonn beginnt und einige Jahre später in Leipzig mit Promotion abschließt. Während des Studiums besucht er auch Literatur- (H. Usener), Psychologie- (W. Wundt) und Kunstvorlesungen (A. Springer). Nachdem eine diplomatische Karriere an Widerständen aus dem Auswärtigen Amt gescheitert ist, konzentriert er sich auf mäzenatische Aufgaben. Er ist es hauptsächlich, der die Aufmerksamkeit in Deutschland auf den französischen Impressionismus lenkt.Kessler arbeitet an der Berliner Kunst- und Literaturzeitschrift PAN mit, initiiert den Deutschen Künstlerbund zur Förderung aktueller, progressiver Kunst und unterstützt Künstler wie Johannes R. Becher, Edvard Munch, Aristide Maillol, Detlev von Liliencron, Rainer Maria Rilke. Während seiner Zeit als Direktor des 'Großherzoglichen Museums für Kunst und Kunstgewerbe' in Weimar versucht er, dort ein Zentrum kultureller Erneuerung aufzubauen. Er hat bereits zuvor auf die Berufung Henry van de Veldes dorthin zur Gründung eines 'Kunstgewerblichen Seminars' hingewirkt, aus dem sich später das Bauhaus entwickelte.Unter seinen Freunden sind besonders Eberhard von Bodenhausen, Henry van de Velde und Hugo von Hofmannsthal hervorzuheben. Mit letzterem zusammen verfaßt er den 'Rosenkavalier' und das Ballett 'Josephslegende'.Kesslers Gründung der Cranach-Presse setzt bibliophile Maßstäbe in Deutschland. In Zusammenarbeit mit Schriftstellern, Künstlern und Grafikern entstehen Klassiker der modernen Buchkunst.Mit dem Ersten Weltkrieg verlagern sich Kesslers Interessenschwerpunkte wieder auf den politischen Bereich. Er ist nur kurz als Reserve-Offizier an der Front; nach seiner Rückkehr leitet er in Bern die deutsche Kulturpropaganda. 1918 reist er als erster deutscher Gesandter nach Warschau, wird jedoch bereits nach wenigen Wochen des Landes verwiesen - die politisch verworrenen Verhältnisse zwischen Deutschland und Polen stehen seinen Bemühungen um Verständigung entgegen. Er entwickelt Ideen zu einem Völkerbund und wird kurzzeitig Präsident der Deutschen Friedensgesellschaft. Der Versuch, 1924 ein Reichstagsmandat zu erlangen, mißlingt. In der Folge gibt er seine politischen Ambitionen weitgehend auf und konzentriert sich auf die Arbeit mit der Cranach-Presse. Über Walther Rathenau, den er seit den frühen Berliner Jahren gekannt hat, schreibt er eine Biographie.1933 kehrt Kessler nach Warnungen durch Freunde von einer Parisreise nicht mehr nach Deutschland zurück. Er lebt im Exil zunächst auf Mallorca, dann bei seiner Schwester in Südfrankreich. Während dieser Jahre arbeitet er intensiv an seinen Memoiren, deren erster Band 1935 erscheint. Die weiteren Bände kann er nicht mehr fertigstellen; Kessler stirbt am 30. November 1937 in Lyon.Über sechs Jahrzehnte hinweg (1880-1937) führt Kessler fast lückenlos Tagebuch. Seine Hauptthemen sind Literatur, Bildende Kunst und vom Ersten Weltkrieg an verstärkt auch Politik. Es wird weniger über die eigene Befindlichkeit berichtet; vielmehr werden Impressionen und Reflexionen festgehalten sowie Gespräche protokolliert. In einigen Teilen waren die Tagebücher als Erinnerungstütze für geplante Veröffentlichungen gedacht.Durch den Großen, breitgefäherten Kreis von Kesslers Aktivitäten und Bekanntschaften ist das Tagebuch von unschätzbarem Wert für die Zeit- und Kulturgeschichte.Weitere Informationen zum Tagebuch-Projekt finden Sie beim Deutschen Literatur
  • Schlagzeile
    • »Die Vita dieses Mannes ist ein veritabler Kulturkrimi.« Fritz J. Raddatz, DIE ZEIT
  • Leseprobe
    • Einleitung 'Kriegstheater' in der Schweiz Vorhang auf im großen Kriegstheater. Ort der Handlung ist die Schweizer Bundesstadt Bern - genauer: das beste Hotel am Platz, das Bellevue-Palace, zentral gelegen auf einer Felsterrasse über der sich um die Berner Altstadthalbinsel schlängelnden Aare. Zeit: Mitte September 1916, gut zwei Jahre nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Die Fronten sowohl im Westen als auch im Osten haben sich im Ermattungskrieg festgefahren, ein Ende der Kampfhandlungen ist nicht in Sicht. Die Auswirkungen des Krieges sind überall spürbar und der erste Hungerwinter steht unmittelbar bevor. Auftritt von Harry Graf Kessler, vor kurzem noch Frontoffizier, jetzt abkommandiert, um in der Schweiz die deutsche Kulturpropaganda zu organisieren. In den Nebenrollen treffen wir auf Diplomaten aller kriegführenden Länder, halbseidene Spione und aufmerksame Kellner. Es spricht die Hauptfigur: 'Abends im Bellevue mit de Vaux und Schubert gegessen. Der Schützengraben läuft im Bellevue quer durch den Esssaal; Entente rechts, Vierbund links, die table austro-boche in der linken Saalecke, die der Entente-Diplomaten in der rechten. Drum herum gruppiert an kleinen Tischen die Angehörigen der beiden feindlichen Mächtegruppen mit verstreuten Amerikanerinnen und Schweizern. Die Kellner bewegen sich zwischen den Mächtegruppen und spionieren.'1 Die Beschreibung der sich beim Diner im unsichtbaren 'Schützengraben' des Speisesaals im Bellevue-Palace belauernden Kriegsparteien wirkt grotesk, wenn man bedenkt, wie blutig der tatsächliche Krieg in den echten Schützengräben zu jenem Zeitpunkt ausgetragen wurde. Im Vergleich zu den Gefahren, die der unmittelbare Fronteinsatz mit sich brachte, war der Propagandakrieg in Bern ein vergleichsweise bequemer Kriegsschauplatz. Hier schlugen keine Granaten ein, hier war nicht das ohrenbetäubende Pfeifen der Schrapnells zu hören, hier mußte niemand im Schlamm und Schmutz der Gräben, in Wasserlöchern, Granattrichtern und Drahtverhauen neben den zerfetzten Körpern der Kameraden ausharren. Die existentielle Frage nach Leben und Tod, die den Frontalltag entscheidend prägte, war in Bern entschärft, die 'Schlachten' des Propagandakrieges aber wurden - wie wir noch sehen werden - kaum weniger intensiv und ähnlich verbissen geführt. Die Schilderung des Abendessens im Bellevue-Palace weist auf einen Einschnitt in der Biographie des Tagebuchschreibers hin, der seine Kriegserfahrungen tiefgreifend verändern sollte. Ende Juli 1914 hatte sich Kessler als Hauptmann der Reserve bei seinem Regiment gemeldet. Als Kommandeur einer Munitionskolonne war er zunächst in das neutrale Belgien einmarschiert, hatte das brennende Lüttich gesehen und die Belagerung der Stadt Namur erlebt. Im September 1914 wurde seine Einheit nach Ostpreußen versetzt und war in die Verfolgung der dort abrückenden russischen Truppen verwickelt. Im Dezember 1914 erhielt Kessler den Befehl, sich als Ordonnanzoffizier beim 24. Reserve-Korps zu melden, einer Einheit, die im Januar 1915 an die Front in den ungarischen Karpaten verlegt wurde. Nach dem erfolgreichen Karpatenübergang und der Einnahme Galiziens erreichte das Korps Ende September 1915 Wolhynien, eine Landschaft im Nordwesten der heutigen Ukraine, wo Kessler den folgenden Winter im Stellungskrieg gegen die russischen Truppen verbrachte. Im April 1916 wurde die Einheit an die Westfront bei Verdun versetzt, um dort die Frühjahrsoffensive zu unterstützen. Einflußreiche Freunde hatten immer wieder Versuche unternommen, Kessler, der bei Ausbruch des Krieges immerhin schon 46 Jahre alt war, dem direkten Kampfgeschehen zu entziehen und ihm eine vermeintlich ruhigere Stellung im zivilen Leben zu verschaffen. Im Laufe des Sommers 1916 gelang es endlich, eine Kommandierung an die deutsche Gesandtschaft in der Schweiz zu erreichen. Kessler wechselte in die Diplomatie, ein Arbeitsfeld, das ihm aus seinen vielfältigen Aktivitäten vor dem Ersten Weltkrieg vertraut war. Anfang September dann - um wieder zur Ausgangssituation im Bellevue-Palace zurückzukehren - fuhr Kessler erstmals in die Schweiz, um persönlich beim dortigen deutschen Ge ermöglicht dem heutigen Leser aber nicht nur die Rekonstruktion eines Lebens zwischen Fronteinsatz und Propagandakrieg. Einmal mehr zeigt sich Kessler in seinen täglichen Notizen als der Mann mit den vielen Gesichtern, der scheinbar mühelos die unterschiedlichen Rollen besetzen kann, die das Kriegstheater bietet. Die Widersprüche in seiner Biographie ziehen sich wie ein roter Faden durch die Weltkriegsaufzeichnungen. Er, der Kosmopolit, der über ein fein gewebtes Netz von Bekannten, Freunden und Weggefährten in ganz Europa verfügt, der weitgereiste Weltbürger, der im Juli 1914 von London über Paris nach Potsdam kommt, um sich bei seinem Regiment zu melden, dieser Mann zieht nun für das Deutsche Reich in den Krieg. Aus heutiger Sicht verwundert die dabei zutage tretende unaufgeregte Überzeugung, mit der Kessler diesen Schritt vollzieht. Vor dem Hintergrund seiner vielfältigen Vorkriegsbemühungen um eine die nationalen Grenzen überschreitende europäische Kultur wirkt das Pflichtgefühl, mit der die Aufgabe der 'Verteidigung des Vaterlandes' angenommen wird, zunächst befremdlich. Kessler erweist sich im Sommer 1914 als nicht sehr resistent gegen einen gerade in Bohèmekreisen und Intellektuellenzirkeln weit verbreiteten naiven patriotischen Überschwang. Mitte August 1914 berichtet er in einem Brief an seinen Freund Gustav Richter im Zusammenhang mit den Kämpfen in Belgien, daß 'das Gefecht [.] aufregend und aufpeitschend wie Champagner'2 sei. Nach dem raschen Vorrücken der Truppen im September 1914 in Ostpreußen notiert Kessler im Tagebuch: 'Wir heissen jetzt das Garde Reise Korps' (14.9.1914), und in einem Brief an seine Schwester vom 18. November 1914 bezeichnet er den Feldzug als 'immense Cooks tour through a country where another touring party are trying to stop you'3. Das Tagebuch steckt voller naiv-bewundernder Äußerungen über die effiziente und erfolgreiche Kriegsführung der Volkshelden Hindenburg und Ludendorff, in Kriegszieldiskussionen vertritt Kessler weitreichende Annexionsforderungen, und besonders irritierend wirkt aus heutiger Sicht jene in einem Gespräch im Oktober 1916 vorgetragene Idee, 'die polnischen Juden in den Munitionsfabriken zwangsweise zu verwenden' (5.10.1916). Gleichzeitig aber tritt eine andere, in der Anfangszeit des Krieges vielleicht verborgener liegende, aber doch existente Seite von Kesslers Persönlichkeit hervor, die ihn von vielen seiner Zeitgenossen unterscheidet. Seine Bekanntschaften besitzen eine enorme Spannbreite, sie sichern ihm auf diese Weise eine Heterogenität der Meinungen und Deutungen des Krieges, die wohl einzigartig ist. Die von Hugo von Hofmannsthal abfällig-spöttisch beschriebenen 'zehntausend Bekannten' Kesslers reichen vom Vortragenden Rat in der Nachrichtenabteilung des Auswärtigen Amtes und späteren Unterstaatssekretär in der Reichskanzlei Wilhelm von Rad...
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