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In Schrebers Garten

Roman
ISBN/EAN: 9783813502923
Umbreit-Nr.: 1306351

Sprache: Deutsch
Umfang: 288 S.
Format in cm: 2.3 x 22 x 14.2
Einband: gebundenes Buch

Erschienen am 03.03.2008
€ 17,95
(inklusive MwSt.)
Nicht lieferbar
  • Zusatztext
    • Von Erziehung und Wahn, kleinen Fluchten und großer Freiheit Seit über 100 Jahren reizt, provoziert, fasziniert Paul Schreber Kunst und Wissenschaft. Seine ?Denkwürdigkeiten eines Nervenkranken? sind weltberühmt und ein bewegendes Zeugnis aus der Welt eines Verrückten. Klaas Huizing erzählt die Geschichte Schrebers vor dem Hintergrund des historisch Überlieferten neu. Er zeigt ihn gleichermaßen als Verzweifelten und auch als Hoffnungsträger, der die Möglichkeit eines anderen Lebens in sich birgt. Moritz Schreber, Erfinder der Zimmergymnastik und des Schrebergartens, regiert seine Familie mit eiserner Hand. Die Kinder werden zwangsweise körperlich ertüchtigt und mechanisch geradegehalten. Der sensible Paul versucht während der ganzen Kindheit, sich dem Diktat des Vaters zu entziehen. Mit einer gewissen Genugtuung beobachtet der zweitgeborene Sohn dessen Sterben. Er verweigert das ärztliche Erbe, überlebt den einst übermächtigen Bruder, wird erfolgreicher Jurist und heiratet eine Frau, die von seiner Mutter abgelehnt wird. Und dann gibt es noch die Innenwelt von Paul Schreber, bevölkert von Alben der Vergangenheit, von Angst und sexuellen Obsessionen. Als der Spagat zwischen außen und innen nicht mehr gelingt, wird Paul verrückt. Die Außenwelt entmündigt ihn; er wird zum berühmten Fall für Psychiater. Klaas Huizing zeigt uns Schreber als innerlich freien Menschen, der am Ende als stiller Gewinner im großen Lebensspiel erscheint. Denn trotz aller Not haben wir uns Schreber als glücklichen Menschen vorzustellen. Er bleibt bei sich und taugt damit als Gegenentwurf für eine Welt, aus der immer mehr Menschen aussteigen wollen.

  • Kurztext
    • ?Wie Klaas Huizing diesen starken Stoff mit dezenter Fiktion unterfüttert, hat einige Klasse und ist unbedingt lesenswert." Die Welt ?Der Roman (erschließt im zweiten Teil) einen neuen Zugang: Mit einem verzweifelt komischen Witz, in einer lakonischen aber keineswegs kalten Prosa, die den 'Nervenkranken' an keinem Punkt an die besserwisserische Normalität verrät, enthüllt sich die Innenansicht eines Phantasmas, das Apokalypse und Erlösung, Transsexualität und intimste Gottesbeziehung verbindet. Denkwürdigkeiten eines Romanciers aus der Perspektive eines Nervenkranken.? SWR 2 "In Klaas Huizings geglückter Apologie erscheint der unglückliche Senatspräsident Daniel Paul Schreber als zu erlösender Erlöser." Frankfurter Allgemeine Zeitung

  • Leseprobe
    • Anstalt Sonnenstein Heute wäre er so weit. Er dachte an sein massiges Bett, an die Kuhle in der Mitte seiner Matratze, an die nachtblaue Decke mit der weißen Bordüre, an die zwei Buchstaben im Holz des Kopfteils, die er vor sehr vielen Jahren mit einem Taschenmesser, ein Geschenk seines Vaters, eingraviert hatte. Er senkte die Augen, tat so, als wäre er ganz in sich versunken, aber heimlich spähte er, den niemand aus den Augen ließ, einen Fluchtweg aus. Er fühlte sich heute wie ein Donnerstag. Der Donnerstag war immer sein Tag. Solange er denken konnte. Als Kind stellte er sich vor, er sei ein Denkmal, stünde auf einem kleinen Sockel an irgendeinem ganz unbedeutenden Platz in der Stadt. Tauben auf seiner Schulter. Hunde zu seinen Füßen. Sonntage, die machten, dass er weich wurde. Bereits an den Freitagen spürte er, wie seine Konsistenz nachließ. Ein Ziehen in seinem Innern. Schlaffheit machte sich breit. An den Samstagen torkelte er. An den Sonntagen, vor allem an den Sonntagen, aber natürlich nicht nur an den Sonntagen wollte sein Vater, dass er turnte. Sein Körper musste sich strecken und biegen. Strecken und immer wieder biegen. Erst heute wusste er, dass er das Turnen immer gehasst hatte. Die Montage und Dienstage und Mittwoche lebten von der Vorfreude auf den Donnerstag. An diesem Tag schlich er früher in den kleinen, mit Efeu gegürteten Verschlag, kramte seine Schachteln hervor, in denen er Regenwürmer, Maikäfer und einen toten Sperling aufbewahrte. Er hätte gerne einen Hund besessen. Groß. Tapsig. Lebendig. Mit warmer Schnauze und nach frischem Tortenboden riechendem Fell. Niemand hätte sich dem Hund nähern dürfen. Er wäre sein Schutzschild gewesen. Manchmal biss er sich in den Arm, als würde er mit seinem Hund ringen. Einmal hatte er so intensiv gespielt, dass er erst von sich abließ, als er Blut schmeckte. Er war der Herr über diesen Verschlag. Der Herr über das Gerümpel, über die schäbigen, aussortierten Dinge, die ihn mit Respekt empfingen und ihm zu Diensten waren. Dort stahl er sich aus der Zeit, verhielt sich still, lauschte nur den Vögeln draußen und den Gesprächen, die die Dinge mit ihm führten. Er stand auf einem wackligen Stuhl als Paul I., der vom ganzen, nun gut, beinahe vom ganzen Volk geliebte und verehrte König Preußens. Stolz und glücklich schlich er abends in sein Zimmer zurück. An den Donnerstagen war früher sein Bruder häufig nicht zu Hause gewesen. Heute wäre er so weit. Als Kind fürchtete er sich davor, mit bloßen Füßen über Wiesen zu rennen. Heute wird er die Stiefel, diese schweren Stiefel, die seinem Gang etwas Steifes verleihen, von sich werfen. Mit einem Donnerstagsgefühl wird das gehen. Seine Fußsohlen schienen ihm versiegelt. Verhornt. Er wird, wenn die Aufmerksamkeit der Wärter nachlässt, sich davonstehlen, wird mit weit ausholenden Schritten den Hof durchqueren, über die Wiesen rennen, Disteln niedertrampeln, über Bäche springen. Er wird die Wolken auseinanderreißen und die Erde mit Licht fluten. Und einen leichten Wind wird er machen. Und in einen grollenden Zug sich setzen. Und arbeiten wird er wieder. Zu Hause. In der Zeitzer Straße 43. Und sich einen Hund kaufen. Das auch. Er spähte verstohlen um sich. Er wird zurückkehren. Heute noch. Dann wird er wieder an seinem Sekretär sitzen, mit der Hand über die polierte Fläche fahren, das Tintenfass an seinen Platz schieben, die Schublade herausziehen. Eine leicht gehende Schublade. Wie viel Glück darin beschlossen lag! Er wird ein dünnwandiges Glas an seine Lippen setzen und sich einen großen Schluck Rotwein gönnen. Er wird gefasst sein. Keine Tränen diesmal. Er wird sein Dienstmädchen rufen und ihr sagen, man solle auf morgen einen Schneider bestellen, denn er gedenke zu heiraten. Es wird ihn amüsieren, wenn das Dienstmädchen ihn mit großen Augen anschaut und erstaunt ausruft: 'Aber mein gnädiger Herr, Sie haben doch bereits geehelicht! Und die gnädige Frau ist wohlauf. Ich habe nach ihr schicken lassen, als ich hörte, Sie seie
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