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Anomalien, Autonomien und das Unbewusste

Selbstmord in Wissenschaft und Literatur von 1700 bis 1800
ISBN/EAN: 9783835305311
Umbreit-Nr.: 1235177

Sprache: Deutsch
Umfang: 488 S.
Format in cm: 4 x 22.9 x 15.2
Einband: gebundenes Buch

Erschienen am 08.08.2009
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  • Zusatztext
    • Die Selbstmorddebatte im 18. Jahrhundert und die physische, psychische, soziale und politische Neukonzeption des Menschen. Im Laufe des 18. Jahrhunderts beginnen sich unterschiedliche Wahrnehmungsparadigmen des Selbstmords zu überlagern und einander abzulösen. Diese Entwicklung zeigt Harald Neumeyer anhand medizinischer Traktate, juristischer wie polizeiwissenschaftlicher Abhandlungen, theologischer Studien, psychologischer Fallanalysen, gerichtsmedizinischer Gutachten, populärer Biographien und literarischer Texte. Selbstmord kann danach als Verletzung des irdischen wie göttlichen Souveräns, als Verbrechen am Staat, als Effekt einer Anomalie und als Resultat eines Normenkonflikts bewertet werden. Zugleich verbindet sich die gesamtkulturelle Erörterung des Selbstmords mit dem Projekt einer neuen Definition, Vermessung und Berechnung des Individuums. So werden divergierende Formen von Autonomie entfaltet, die letztlich auf eine Unterwerfung wie Disziplinierung des Menschen zielen, wird die Grenze zwischen Normalität und Anomalie stets neu ausgelotet und der Bereich eines Unbewussten als Motor von Handlungen veranschlagt. Im Zentrum der Studie stehen Johann Wolfgang Goethes 'Die Leiden des jungen Werther', Friedrich Schillers 'Die Räuber' und Clemens Brentanos 'Geschichte vom braven Kasperl und dem schönen Annerl'. Inhaltsverzeichnis I. Wirkkraft des Unbewussten 1. Wissenschaft: Der Kindermörder J. F. D. Seybell, ein 'seiner selbst unbewußter Mensch' 2. Literatur: Transformationen des Selbstmords. Von der Bühne in den Off-Stage - vom Off-Stage auf die Bühne 3. Wissenschaft und Literatur: Melancholisch onanierende Werther-Leser 4. Methode und Erkenntnisinteresse: Wissensgeschichte des Selbstmords II. Figuren der Autonomie 1. Wahrnehmungsparadigmen der Selbsttötung I: Autonomer Akt versus sündhaftes Vergehen 2. Wahrnehmungsparadigmen der Selbsttötung II: Individuelles Recht versus biopolitischer Verstoß 3. Literatur: Sophonisbes 'Freyheits-Saft' und Catos 'Fehler' 4. Theologie, Medizin und Pädagogik: 'Subtiler Selbstmord'. Oder: Von der Onanie als Selbstmord auf Raten 5. Medizin und Psychologie: Melancholie. 0der: Anomalien produzieren Anomalien 6. Jurisprudenz und Polizeiwissenschaft: Von der Angst der Macht vor der Macht des Selbstmörders 7. Philosophie: Determination als Legitimationsstrategie III. Die Leiden des jungen Werthers (1774) 1. Jerusalems Selbstmord, Kestners Briefbericht und Goethes autobiographische Retrospektive: Plausibilisierungsversuche 2. Werthers Briefe I: Die Fixierung des zu regulierenden Regulators auf seine Therapeutin 3. Das Gespräch in den Briefen: Von der 'Krankheit zum Todte' 4. Werthers Briefe II: Ver-kehrte Reflexion auf die Trias der Pflichten 5. 'Der Herausgeber an den Leser' und der Abschiedsbrief an Lotte: Vier Werther IV. Religiöses Strafgericht 1. Werther theologisch: 'Todtes Capital' statt 'Heroismus' 2. Eine Frage der Macht: Der Selbstmörder als 'Rebell wider den Herrn des Lebens und des Todes' 3. Stigmatisierung statt Ursachenforschung: 'Ein Unchrist, ein Unmensch, ein Unthier' 4. Hinrichtungstexte und Disziplinierungsbriefe: 'Zittert!' - 'Hören Sie zuletzt noch meinen brüderlichen Rath' V. Die Räuber (1781) 1. Karl und Franz: Die Gewalt des 'Schoßkindes' und die Gewalt des 'kalten' Sohnes 2. Karl: Autonomie als Negation des autonomen Akts der Selbsttötung 3. Franz: Die Ambivalenzen der Pathologisierung 4. Amalia und Karl: Delegierter Selbstmord und selbstverordnete Hinrichtung VI. Zwischen Selbsterhaltungstrieb und 'Trieb zum Selbstmord' 1. NaturNormNormalität: Die ZweiTriebTheorie in Medizin und Psychologie 2. Vom 'Kampf' im Ich: Anton Reiser und Frau H. L. 3. Vom Strafsystem zum Disziplinarsystem: Wie der Selbstmörder 'gegen sich selbst bewahret' wird VII. Macht der Norm 1. Programmatik der Fallstudien und Biographien: Innensichten und 'philosophische Toleranz' 2. Selbstmörder sprechen: Rechtfertigungen 3. Die Instanz des Gewissens: Selbsttötung als radikale Form einer selbstreflexiv vollzogenen 'Sub-Justiz' 4. Auswertung der Datensätze: Zurechtmachungen und Projektionen 5. Biographien über Selbstmörder: Die zwei konkurrierenden Wahrnehmungsparadigmen VIII. Geschichte vom braven Kasperl und dem schönen Annerl (1817) 1. Zwischen Norm und Anomalie I: Kasperls Selbstmord 2. Zwischen Norm und Anomalie II: Annerls Kindsmord 3. Die letzten Worte zweier Selbstmörder: 'Meine Schande' 4. Verzweiflung oder Melancholie: Die Problematik der Zurechnungsfähigkeit 5. Politische Souveränität: Das 'ehrliche Grab' und das 'Monument'

  • Kurztext
    • Die Selbstmorddebatte im 18. Jahrhundert und die physische, psychische, soziale und politische Neukonzeption des Menschen. Im Laufe des 18.a¿¿a¿¿Jahrhunderts beginnen sich unterschiedliche Wahrnehmungsparadigmen des Selbstmords zu überlagern und einander abzulösen. Diese Entwicklung zeigt Harald Neumeyer anhand medizinischer Traktate, juristischer wie polizeiwissenschaftlicher Abhandlungen, theologischer Studien, psychologischer Fallanalysen, gerichtsmedizinischer Gutachten, populärer Biographien und literarischer Texte. Selbstmord kann danach als Verletzung des irdischen wie göttlichen Souveräns, als Verbrechen am Staat, als Effekt einer Anomalie und als Resultat eines Normenkonflikts bewertet werden. Zugleich verbindet sich die gesamtkulturelle Erörterung des Selbstmords mit dem Projekt einer neuen Definition, Vermessung und Berechnung des Individuums. So werden divergierende Formen von Autonomie entfaltet, die letztlich auf eine Unterwerfung wie Disziplinierung des Menschen zielen, wird die Grenze zwischen Normalität und Anomalie stets neu ausgelotet und der Bereich eines Unbewussten als Motor von Handlungen veranschlagt. Im Zentrum der Studie stehen Johann Wolfgang Goethes ''Die Leiden des jungen Werther'', Friedrich Schillers ''Die Räuber'' und Clemens Brentanos ''Geschichte vom braven Kasperl und dem schönen Annerl''

  • Autorenportrait
    • Harald Neumeyer, geb. 1962, lehrt Neuere deutsche Literaturwissenschaft an der Universität Bayreuth. Zahlreiche Publikationen zum Verhältnis von Wissenschaft und Literatur um 1800, u.a.: Magnetische Fälle um 1800. Experimenten-Schriften-Kultur zur Produktion eines Unbewussten (2006); Unkalkulierbar unbewußt. Zur Seele des Verbrechers um 1800 (2004); 'Ich bin einer von denjenigen Unglückseligen (.)'. Rückkoppelungen und Autoreferenzen. Zur Onaniedebatte im 18. Jahrhundert (2001)
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