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Wie die Zeit verrinnt

Erzählungen, Edition korund
ISBN/EAN: 9783842249189
Umbreit-Nr.: 1194051

Sprache: Deutsch
Umfang: 48 S.
Format in cm:
Einband: Paperback

Erschienen am 31.12.2023
Auflage: 1/2023
€ 7,90
(inklusive MwSt.)
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  • Zusatztext
    • Menschenleben, eingefangen in »Momentaufnahmen« mit erhellenden typischen Details. Es geht um prägende Erinnerungen und Erlebnisse, die beim Lesen Emotionen hervorrufen. Die gemeinsame Klammer ist das Älter- und Altwerden mit seinen Erfahrungen. Auf Übertreibungen und Beschönigungen wird verzichtet - ob es sich nun um Reflexionen einer ungewollt kinderlos gebliebenen Frau handelt (»Was ist?«) oder um Begegnungen mit Menschen am Rande unserer Gesellschaft (»Herr Siegward«). Sentimentalitäten oder Wertungen fehlen konsequent und der Humor kommt nicht zu kurz.

  • Leseprobe
    • In der großen, düsteren Motorenfabrik stand ich in der Mittagspause am Fenster unseres Büros und schaute ins Freie. Mein einziger Lebensmotor war die Literatur. Aber ich musste mich ernähren und die Miete bezahlen, sprich Geld verdienen. Ich war über zwanzig Jahre alt, las die Zeitschrift Akzente, liebte die Lyrik und hatte in den »Lyrischen Heften« selber meine ersten Gedichte veröffentlicht. Doch wie schwach waren die, verglichen mit denen meines Dichter-Ideals: Günther Eich. Einige Wochen lang stand ein Praktikant neben mir mittags am Fenster, Sohn reicher Eltern, ein Angeber. »Geschäfte werden beim Golf gemacht« - mit derartigen Sätzen gedachte er mir zu imponieren. Ich sagte, Geschäfte samt Golf seien mir piepschnurz, die Literatur und die Menschen nicht. Darauf er: Sein Freund Clemens schreibe auch, unter dem Pseudonym »Quercus«, weil er Eich heißt, Sohn eines Dichters und einer Dichterin, was wohl ein bisschen zu viel Dichtung sei. Mit ihm fahre er bald nach Südfrankreich, »wenn das hier mal vorbei ist«, und ich solle doch Urlaub nehmen und mitfahren. Ich erschrak zwar vor Freude, aber ich hätte mir keinen Urlaub, schon gar nicht im Ausland leisten können. Südfrankreich war für mich unerreichbar wie Mexiko oder Timbuktu. Dennoch hörte ich die Kähne im Wasser schlingern, schmeckte den im Licht glühenden Wein. Über das Fensterbrett gebeugt, sah ich die dunkel gekleideten Arbeiter in die Kantine laufen - hier würde ich noch lange bleiben müssen, mit Fortbildung an langen Abenden in grauen Gebäuden. Es kam dann eine Ansichtskarte: Café am Hafen. Fünfzig Jahre später las ich eine Erinnerung: lsabella Nadolny beschrieb in einem Kapitel »Clemens oder das Jüngste Gericht« ein Baby: »Er musterte mich auf amüsante, hellwache Weise, als wisse er etwas über mich, das ich bisher allen Menschen verschwiegen hatte Ich erschrak vor Entzücken und fing prompt an, Clemens zu lieben.« Vielleicht hätte ich ihn auch lieben gelernt, damals in Südfrankreich. Wo ist er geblieben? Ich schaute im Internet nach: Er starb in Wien, wo er Schauspieler war, bei einem Treppensturz oder einem Autounfall, beides kommt infrage. Schon vor vielen, vielen Jahren, 1998.
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