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Im gewollten Augenblick

Erzählung, Sammlung Urs Engeler Editor
ISBN/EAN: 9783905591798
Umbreit-Nr.: 1155713

Sprache: Deutsch
Umfang: 124 S.
Format in cm: 1.6 x 18.7 x 12.2
Einband: gebundenes Buch

Erschienen am 25.08.2004
€ 17,00
(inklusive MwSt.)
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  • Zusatztext
    • Das war, muss ich sagen, eine körperlich dermassen zerstörerische Entdeckung, dass sie mit mir machte, was sie wollte. Während ich es dachte, war ich fasziniert, ausgelöscht durch meine Gefühle. In der Tat, das war ein Gedanke!, und nicht irgendeiner, sondern ein mir angemessener, genau so gross wie ich, und falls er sich denken liess, konnte ich selber nur noch verschwinden. Wenig später musste ich um ein Glas Wasser bitten. Die Worte 'Geben Sie mir ein Glas Wasser' liessen mich in der Empfindung einer grauenvollen Kälte vereinsamen. Alles schmerzte mich, aber ich war wieder ganz zu mir gekommen, und vor allem hatte ich nicht den geringsten Zweifel an dem, was gerade eben geschehen war. Als ich beschloss, mich aus der Affäre zu ziehen, versuchte ich mich an den Lageort der Küche zu erinnern. Im Korridor herrschte ein übermässiges Dunkel, und daran merkte ich, dass meine Verfassung noch immer nicht ganz gut war. Auf der einen Seite lag das Badezimmer, von dem aus eine Tür in das von mir gerade verlassene Zimmer führte, weiter vorn mussten die Küche und das zweite Zimmer liegen: Innerhalb meines Geistes war alles klar, bloss ausserhalb nicht. Hol's der Teufel, warum ist dieser Gang so lang?, dachte ich. Denke ich jetzt wieder an dieses Vorgehen, bin ich extrem erstaunt, wie ich alle diese Mühen auf mich nehmen konnte, ohne mich zu fragen, weshalb sie für mich so aufwendig waren. Ich bin nicht sicher, ob ich überhaupt je eine unangenehme Empfindung verspürte, bis zu dem Augenblick, an dem ich aus einer falschen Bewegung heraus (vielleicht hatte ich mich an der Wand angeschlagen) einen entsetzlichen Schmerz empfand, den rasendsten überhaupt - er spaltete mir den Schädel -, aber vielleicht war er eher rasend als lebendig; es war schwer zu sagen, was er an Grausamkeit und Bedeutungslosigkeit gleichzeitig an sich hatte: Eine entsetzliche Heftigkeit, einen tiefen Abscheu, der umso unerträglicher war, als er mich durch eine märchenartige und ganz aus vergehender Zeit bestehende Schutzschicht hindurch zu erreichen schien, diese brannte ohne Rest in mir, ein ungeheurer und einzigartiger Schmerz, so, als wäre ich nicht in diesem Augenblick, sondern vor Jahrhunderten und jahrhundertelang befallen worden; und das, was an diesem Schmerz abgelaufen und gänzlich verstorben war, konnte ihn durchaus leichter oder auch unerträglicher machen, indem es ihn in eine völlig kalte, unpersönliche Stetigkeit wandelte, beendbar weder durch das Leben noch durch das Ende des Lebens. Mit Sicherheit durchschaute ich das alles nicht gleich.

  • Autorenportrait
    • Maurice Blanchots Leben und Werk steht im Zeichen des Paradoxes. Als er vor zwei Jahren starb, war es, als wäre er, der Zeit seines Lebens unfaßbar blieb, erst recht zum Leben erwacht: kein Feuilleton, das etwas auf sich hält, das ihn nicht ausführlich gewürdigt hätte. Doch so angesehen, so prägend der Literatur-Theoretiker Maurice Blanchot für Generationen von Intellektuellen ist, so unbekannt ist er hierzulande als Erzähler geblieben. Dabei ist gerade die Praxis des Erzählers Blanchot der eine Schritt 'au-delà ', über die Literatur hinaus, in ein Jenseits auch der alltäglichen Erfahrung - in einen Raum, den erst die Sprache eröffnet, der aber durch Sprache nicht mehr faßbar ist. Eindrückliches Beispiel dafür ist die Erzählung 'Au moment voulu', erschienen 1951, die hier in der Übersetzung von Jürg Laederach erstmals auf Deutsch aufgelegt wird. So einfach das Setting der Geschichte auch ist - ein Mann besucht seine Freundin in deren Wohnung, die diese mit einer anderen jungen Frau teilt -, so zunehmend labyrinthisch erweisen sich mit jedem Satz sowohl die Wohnung als auch die Beziehungen zwischen Bewohnerinnen und Besucher. Blanchots Sätze sind Spektralanalysen, in denen auch entlegenste Aspekte plötzlich mit blendender Kraft aus dem Dunkel leuchten. Als souveräner Sprach-Metaphysiker fügt er das Zergliederte wieder zu einer bisher unbekannten, uns aber zwiespältig vertrauten Welt zusammen. Er tut dies mit einer Kraft, die jeden Widerstand in Begeisterung umschlagen läßt. Eine solche Literatur ist unheimlich. Sie ist spektakulär. Der Verlag bereitet mit Jürg Laederach weitere Erzählwerke von Maurice Blanchot vor. Siehe auch www.engeler.at/augenblick.html
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