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Kulturentwicklung und Religion

Eranos-Aufsätze Band I
ISBN/EAN: 9783937845081
Umbreit-Nr.: 1742472

Sprache: Deutsch
Umfang: 144 S.
Format in cm: 1 x 22 x 16
Einband: kartoniertes Buch

Erschienen am 15.12.2007
Auflage: 1/2007
€ 19,50
(inklusive MwSt.)
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  • Zusatztext
    • "So scheint es, dass der mystische Mensch, in unserem weiten Sinne ver-standen, der einzige ist, der sich nicht mit Teilaspekten der Außen- oder Innen-welt zufrieden gibt. Er ist der einzige, dessen schöpferische Unruhe nicht zu stillen ist durch das Narkotikum, das ihm Ruhe in einem bruchstückhaften Gehäuse und in einem Provisorium gewährt, in dem das Ich sich bergen könnte. Der mystische Mensch macht mit der existentiellen Tatsache ernst, dass der Mensch kein Gehäuse hat, sondern ein Atom im Unendlichen ist. Aber er erfährt trotz alledem, dass er nicht verloren und allein ist. Zwar ist für ihn der Kern der menschlichen Existenz unfassbar, aber dieses Numinose im Menschen ist zugleich das Menschliche im Numinosen." Erich Neumann

  • Autorenportrait
    • Erich Neumann (geboren 1905 in Berlin; gestorben 1960 in Tel-Aviv) war der herausragendste Schüler von C. G. Jung. 1934 emigrierte er nach Israel, wo er die Tiefenpsychologie eigenständig weiterentwickelte. Nach dem Zweiten Welt-krieg bis kurz vor seinem Tod hielt er an den jährlich stattfindenden Eranos-Tagungen Vorträge, die zentrale Erkenntnisse seiner Praxis und Forschung um-fassen.
  • Leseprobe
    • Den drei Essays "Die psychologische Bedeutung des Ritus", "Die mythische Welt und der Einzelne" und "Der Mystische Mensch" liegen die Eranos-Vorträge von 1949 - 1951 zugrunde; in etwas überarbeiteter Form erschienen sie 1953 als der erste von drei Bänden unter dem gemeinsamen Titel: "Um­kreisung der Mitte". Erich Neumann durchschreitet jeweils die menschheitsgeschichtliche Be­wusst­seins­entwicklung vom frühen Menschen hin zum modernen Menschen. Die Verunsicherung, Krisenhaftigkeit und Bedrohung, mit denen der gegenwärtige Mensch in seinem Einzelschicksal genauso wie in kollektiven Bereichen konfrontiert ist, hat sich seit der erstmaligen Publikation dieser Aufsätze nicht gemildert, sondern verschärft. Mit ebensolcher Dringlichkeit steht als Antwort die Anforderung an jeden einzelnen da, sich im Individuationsprozess zu wan­deln. Für den Frühmenschen bildet das Festgelegte des Ritus, unter dem dieser zu voll­ziehen ist - der genau einzuhaltende Ablauf und die bis aufs einzelne zu befolgenden Umstände - ein Gruppengefäss für das Ich. Darin vermag es dem Kernereignis standzuhalten und dem Numinosen zu begegnen. Es ist der Gang des Bewusstseins ins Unbewusste, der sich darin vollzieht, und in diesem ritua­lisierten Gehen geschieht allmählich das Herauslösen von Bewusstsein und von Ich-Struktur aus dem mythischen Verschränktsein. In diesem Geschehen wird ein paradoxes Grundmuster psychischer Ent­wicklung deutlich: Das Ich bedarf größter Anspannung, um bestehen zu blei­ben, um nicht unterzugehen (im Abgrund, mythischen Grund, Unbewuss­ten, Kollektiven), gleichzeitig muss es sich etwas anderem anheimgeben. Beim Frühmenschen lässt sich sagen, dass so Entwicklung geschieht, dass auf diese Weise das Ich an Stärke, Souveränität und Handlungsspielraum gewinnt und autonomer wird. Der moderne Mensch jedoch hat sich in seiner Ichstärkung soweit verabsolutiert, dass dies Teil seiner Krisenhaftigkeit ist: Auf der einen Seite kommt es zu Erstarrung, Fragmentierung und Materialisierung im Nur-Bewusstsein, auf der anderen Seite zur Auflösung oder Rückkehr in ein Kollek­tiv; beides bedeutet Selbstverlust. Damit Erneuerung geschehen kann, ist das moderne Ich nicht mehr so sehr auf den rituellen Gang (als äußerlich fest an­ge­leg­tem Ereignis) und die äußere Handlung verwiesen, sondern in ver­stärktem Maß auf ein spontan sich vollziehendes in-die-Mitte-gegangen-Wer­den, um sich in dieser numinosen Erfahrung wandeln zu lassen. Woran sich menschheitsgeschichtlich nichts zu ändern scheint, ist, dass dies bis aufs äußerte eine Gratwanderung bleibt, auf der immer auch wieder die Kräfte der Nacht das heldenhafte Ich zurückzuziehen vermögen und das Ein­sinken in den mythischen Grund, ins Kollektiv geschehen kann. Darin gibt es aber etwas, das Erich Neumann den "dritten Faktor" nennt, das von Anfang an "den Ich-Keim schützt und zu seiner Entwicklung drängt", nämlich das Selbst, das sich als offene Mitte im Menschen darstellt und doch als das ganz andere erscheint, der "schöpferische Nichtspunkt", der lenkend wirkt und ohne den kein Entwicklungsprozess, kein Heilungsprozess denk­bar ist. So zeigt sich die bewusstseinsantreibende Kraft des Rituellen für den moder­nen Menschen im Gehen auf dem Individuationsweg, wo er sich dem Paradox anvertraut, als Ich aufrecht zu bleiben und nicht zu versinken und doch das Selbst als die eigene Mitte zu umkreisen. In dieser heteronomen Freiheit geschieht eine ein­malige, unwiederbringliche Begegnung von Ich und Selbst, wo der mystische Menschen nicht mehr von anonymen Mächten bedroht wird, sondern sich in einem Gemeintsein erfährt. So wie dieser Prozess für den einzelnen nie abgeschlossen ist, so gibt es auch für jede Gemeinschaft kein endgültig Errungenes; der Drache lässt sich nicht töten. Der in einem vermeintlichen Kulturgewinn abgeschlagene Drachenkopf hinterlässt die sieben andern, die an seiner Stelle nachwachsen. Sie sind allgegenwärtig in den Berichten über die fortdauernden oder neu sich abzeich­nend
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